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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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waren, griff nach seinem Theaterglas und begutachtete die Wanze. Chlebowwodow, der unter saurem Aufstoßen litt, nörgelte: »Was geben wir uns mit dem ab? Es ist längst alles gesagt worden. Der führt uns bloß an der Nase rum.«
    »Einen Augenblick«, bat Farfurkis, munter und rosig wie immer. »Bürger Quasselstrippe«, wandte er sich an den Wanz. »Die Troika ist bereit, Sie außer der Reihe zu empfangen und Ihre, wie Sie schreiben, außerordentlich wichtige Erklärung anzuhören. Die Troika schlägt Ihnen vor, sich kurz zu fassen und ihr keine kostbare Arbeitszeit zu stehlen. Was haben Sie uns mitzuteilen? Wir hören.«
    Quasselstrippe schaltete eine wohlberechnete Kunstpause ein. Dann zog er geräuschvoll die Beine unter sich, setzte sich in Positur, blies die Backen auf und legte los.
    »Die Geschichte des Menschengeschlechts«, begann er, »verzeichnet nicht wenige schmachvolle Beweise der Barbarei und des Unverstands. Archimedes wurde von einem ungebildeten Soldaten brutal erstochen, Giordano Bruno von verlausten Popen verbrannt. Zügellose Fanatiker verfolgten Charles Darwin, Galileo Galilei und Nikolai Wawilow. Auch die Geschichte der Wanzen verzeichnet Opfer der Unwissenheit und des Obskurantentums. Unvergessen sind die unerhörten Leiden des großen Enzyklopädisten Sapukl, der unseren Vorfahren, den Gras- und Baumwanzen, den Weg zu wahrem Fortschritt und Wohlergehen wies. In Armut und Vergessenheit starben Imperutor, der Schöpfer der Blutgruppentheorie, Rexophob, der das Problem der Fruchtbarkeit löste, und Pulp, der die Anabiose entdeckte. Barbarei und Unvernunft unserer beiden Stämme drückten unseren Beziehungen einen verhängnisvollen Stempel auf. Ungehört verhallte der Ruf unseres großen Utopisten Platun, der eine Symbiose zwischen Wanze und Mensch propagierte und die Zukunft des Wanzengeschlechts nicht auf den ausgetretenen Pfaden des Parasitismus sah, sondern in den elysischen Gefilden der Freundschaft und gegenseitigen Hilfe. Wir kennen Fälle, da der Mensch den Wanzen unter der Losung›Ihr und ich, wir sind vom gleichen Blute‹ Frieden, Schutz und Beistand bot; aber die gierigen, ewig hungrigen Wanzenmassen ignorierten dieses Angebot unter dem absurden Motto: ›Wir haben getrunken, wir trinken, und wir werden trinken.‹« Quasselstrippe kippte ein Glas Wasser hinunter, leckte sich die Lippen und fuhr wie auf einer Kundgebung mit sich überschlagender Stimme fort: »Heute nun stehen wir zum ersten Mal in der Geschichte unserer Stämme vor der Situation, da eine Wanze der Menschheit Frieden, Schutz und Beistand bietet und als Gegenleistung nur eines verlangt: Anerkennung. Zum ersten Mal findet eine Wanze eine gemeinsame Sprache mit dem Menschen und trifft nicht im Bett auf ihn, sondern am Verhandlungstisch. Zum ersten Mal ist eine Wanze nicht auf materielle Güter aus, sondern auf geistigen Austausch. Werden wir an diesem Kreuzweg der Geschichte, an dieser Weggabelung, die unsere beiden Stämme zu unerreichten Höhen führen könnte, etwa unschlüssig innehalten und uns, wie schon so oft, von Ignoranz und Ent fremdung leiten lassen, Offenkundiges leugnen und uns wei gern, das Wunder zu sehen, das hier geschieht? Ich, Wanz Quasselstrippe, die einzige sprechende Wanze des Universums, das einzige Verbindungsglied zwischen unseren Stämmen, fordere im Namen von Millionen: Besinnt euch! Werft eure Vorurteile über Bord, löst euch aus der Verknöcherung, erinnert euch all des Guten und Vernünftigen in euch und seht der großen Wahrheit unerschrocken ins Auge: Wanze Quasselstrippe ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, ein unerklärtes, ja vielleicht sogar unerklärbares Phänomen!«
    Ja, die Eitelkeit dieses Insekts überstieg jede Vorstellungskraft. Ich ahnte, dass das kein gutes Ende nehmen würde, und stieß Edik mit dem Ellbogen an, damit er sich bereithielt. Noch bestand zwar Hoffnung, dass die Magenverstimmung, unter welcher der größte und beste Teil der Troika litt, eine emotionale Eruption verhindern konnte. Günstig war auch die Abwesenheit Wybegallos, der sich so überfressen hatte, dass er jetzt das Bett hütete. Lawr Fedotowitsch fühlte sich unwohl, er war blass und schwitzte; Farfurkis konnte sich zu nichts aufraffen und warf dem Vorsitzenden unruhige, besorgte Blicke zu. Schon glaubte ich, es würde noch einmal glimpflich abgehen, als sich Chlebowwodow plötzlich zu Wort meldete:
    »›Wir haben getrunken, wir trinken, und wir werden trinken!‹ Auf wen hat der Wanz

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