Gesammelte Werke 6
Pterodaktylus Kusma das Territorium der Kolonie, flatterte in sichtlich betrunkenem Zustand über dem Klub der Arbeiterjugend herum und nagte die Glühbirnen ab, die das Transparent mit der Aufschrift ›Herzlich willkommen‹ umrahmten. Ein gewisser Nikolai Dolgonossikow, der sich als Telepath und Spiritist ausgibt, verschaffte sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Einlass ins Frauenwohnheim der Pädagogischen Fachschule und sprach und tat dort Dinge, die die Administration als religiöse Propaganda qualifizierte. Heute stoßen wir nun auf eine neue traurige Folge der verbrecherischen Nachlässigkeit des Kommandanten der Kolonie, des Genossen Subo, gegenüber den Fragen der Erziehung und Propaganda. Worum es sich bei dem Ausspucken überschüssiger Flüssigkeit aus der Mundhöhle des Genossen Konstantinow auch handeln mag, so zeugt es doch davon, dass der Genosse Konstantinow nicht weiß, wo er sich befindet und wie er sich hier zu verhalten hat, und das wiederum ist ein Versäumnis des Genossen Subo, der den Kolonisten den Sinn des Sprichworts ›Andere Länder, andere Sitten‹ nicht erklärt hat. Und darum bin ich der Ansicht, dass wir dem Genossen Subo einen Verweis erteilen und ihn verpflichten sollten, das Niveau der erzieherischen Arbeit in der ihm anvertrauten Kolonie zu erhöhen!«
Als Farfurkis fertig war, nahm sich Chlebowwodow den Kommandanten vor. Seine Rede war wirr, aber mit dunklen Drohungen und so unheimlichen Anspielungen gespickt, dass dem Kommandanten flau im Magen wurde und er ungeniert Pillen in sich hineinstopfte. Chlebowwodow brüllte: »Dir werd ich was husten! Verstehen du mich, oder sein Sie schon ganz und gar verblödet?«
»Hrrrm«, sagte Lawr Fedotowitsch schließlich und versah die verschiedensten Buchstaben mit kräftigen i-Punkten.
Der Kommandant erhielt einen Verweis wegen ungebührlichen Verhaltens in Gegenwart der Troika, das in der Spuckaktion des Genossen Konstantinow zum Ausdruck gekom men war, sowie wegen administrativer Instinktlosigkeit. Dem Genossen Konstantinow, K. K., wurde eine Verwarnung in die Akten eingetragen, weil er in Schuhen die Decke entlanggegangen war. Farfurkis bekam eine mündliche Rüge wegen systematischen Überschreitens der Redezeit, Chle bowwodow eine wegen Verletzung der administrativen Ethik, die sich in dem Versuch niedergeschlagen hatte, den Genossen Konstantinow, K. K., wider besseres Wissen anzuschwärzen. Wybegallo kassierte einen mündlichen Verweis, weil er unrasiert zum Dienst erschienen war.
»Gibt es weitere Vorschläge?«, erkundigte sich Lawr Fedotowitsch. Chlebowwodow flüsterte ihm sogleich etwas ins Ohr. Lawr Fedotowitsch hörte ihn an und teilte mit: »Es gibt außerdem den Vorschlag, die Repräsentanten von unten an die Notwendigkeit zu erinnern, sich an der Arbeit der Troika aktiver zu beteiligen.«
Nun hatte jeder seins bekommen, nichts und niemand war vergessen worden. Wie nach einem reinigenden Gewitter lebten sogleich alle, selbst der Kommandant, wieder auf. Nur Ediks Miene verfinsterte sich, und er verharrte in nachdenklichem Schweigen.
»Der Nächste«, stieß Lawr Fedotowitsch hervor. »Tragen Sie vor, Genosse Subo.«
»Vorgang Nummer zwei«, las der Kommandant. »Fami lienname: Strich. Vorname: Strich. Vatersname: Strich. Spitz name: Kusma. Geburtsjahr und -ort: Nicht ermittelt, wahrscheinlich Kongo.«
»Ist er etwa stumm?«, erkundigte sich Chlebowwodow wohlwollend.
»Er kann nicht sprechen«, antwortete der Kommandant. »Bloß quäken.«
»Ist das angeboren?«
»Höchstwahrscheinlich.«
»Also schlechte Erbanlagen«, brummte Chlebowwodow. »Darum ist er auch unter die Banditen gegangen. Hat er viele Vorstrafen?«
»Wer?«, fragte der Kommandant. »Ich?«
»Nein, warum denn du? Ich meine den … Banditen. Wie war doch gleich sein Spitzname? Wassja?«
»Einspruch«, rief Farfurkis ungeduldig. »Genosse Chlebowwodow geht von der vorgefassten Meinung aus, dass nur Banditen einen Spitznamen haben. Dabei empfiehlt die Instruktion im Paragrafen acht, Kapitel vier, Teil zwei, einem unerklärten Phänomen, das nicht als vernunftbegabtes Wesen identifiziert wird, einen Spitznamen zu geben.«
»Ach so!«, sagte Chlebowwodow enttäuscht. »Das ist bloß irgendein Hund. Ich dachte schon, ein Bandit. Als ich noch bei der Allrussischen Theatergesellschaft die Kasse für gegen seitige Hilfe unter mir hatte, war da ein Kassierer …«
»Einspruch!«, rief Farfurkis fast weinerlich. »Der Genosse Chlebowwodow
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