Gesammelte Werke 6
an und sprach mit seinem Gevatter, dem Oberkellner. Und was stellte sich heraus? Beim Mittagessen hatte Lawr Fedotowitsch mit dem Genossen Chlebowwodow darüber gefachsimpelt, ob ein durchgebratenes Beefsteak einem blutigen vorzuziehen sei. Und um herauszufinden, welche der Zubereitungsarten beim Volk am beliebtesten sei und demzufolge zukunftsträchtig, vertilgte er mit seinem Opponenten zu Kognak und gepflegtem Pilsner je vier Probeportionen aus der Reserve des Chefkochs. Und nun war ihnen übel, lagen sie flach; zumindest waren sie bis zum nächsten Morgen nicht gesellschaftsfähig.
Der Kommandant jubelte wie ein Schuljunge, dessen Lehrer plötzlich schwer erkrankt ist.
Wir verabschiedeten uns von ihm und kehrten zum Hotel zurück, wo wir dann den ganzen Abend in unserem Zimmer saßen und über unsere Lage berieten. Edik musste zugeben, dass Cristóbal Joséwitsch recht gehabt hatte: Die Troika war eine härtere Nuss, als er erwartet hatte. Die vernünftige, rationale Seite ihrer Psyche erwies sich als übernatürlich konservativ und hochelastisch. Zwar ließ sie sich durch ein starkes remoralisierendes Feld manipulieren, kehrte jedoch, sobald das Feld abgeschaltet wurde, augenblicklich in ihren Ausgangszustand zurück. Ich wollte ihm schon vorschlagen, das Feld überhaupt nicht mehr abzuschalten, doch Edik wies den Vorschlag zurück. Die Troika verfüge nur über sehr begrenzte Ressourcen an Vernünftigem, Gutem und Ewigem, sagte er, und eine längere Einwirkung des Remoralisators drohe diese Reserve bis zum letzten Tropfen zu erschöpfen. Unsere Aufgabe bestehe nicht darin, ihnen das Denken abzunehmen, sondern es ihnen beizubringen – doch sie seien nicht bereit zu lernen. Die ehemaligen Kanalisatoren hätten verlernt zu lernen. Aber noch sei nicht alles verloren. Es bleibe noch die emotionale Seite der Psyche. Der Bereich der Gefühle. War es nicht gelungen, in den Mitgliedern der Troika die Vernunft zu wecken, so müssten wir es nun mit ihrem Gewissen versuchen.
Genau das hatte Edik bei der nächsten Sitzung vor.
Wir diskutierten über diese Frage, bis plötzlich und ohne anzuklopfen der erregte Wanz Quasselstrippe hereinstürmte. Wie sich herausstellte, hatte er beantragt, die Troika möge ihn außer der Reihe empfangen und einen Vorschlag von ihm erörtern. Soeben hatte er vom Kommandanten die Ladung erhalten und wollte nun von uns wissen, ob wir am nächsten Tag bei der ersten Sitzung, die historisch zu werden versprach, anwesend sein würden. Morgen würden wir alles verstehen und alles über ihn erfahren. Wenn ihn die dankbare Mensch heit endlich auf Händen trage, werde er uns nicht vergessen … Er schrie, fuchtelte mit den Füßchen, lief auf den Wänden hin und her und störte Ediks Konzentration. Schließlich musste ich ihn am Schlafittchen packen und in den Gang hinausführen. Er reagierte nicht gekränkt – das wäre unterhalb seines Niveaus gewesen. Morgen würde sich alles klären, versprach er, fragte mich nach der Nummer von Chlebowwodows Apartment und verschwand. Ich legte mich schlafen; Edik hingegen breitete auf dem Tisch ein Blatt Papier aus und brütete noch lange über dem demontierten Remoralisator.
Als Quasselstrippe aufgerufen wurde, kam er nicht etwa gleich in den Saal. Wir hörten, wie er sich im Vorzimmer mit dem Kommandanten zankte und nach einem Zeremoniell, mehr Respekt und einer Ehrenwache verlangte. Edik geriet ins Schwitzen, und mir blieb nichts anderes übrig, als hinauszugehen und dem Wanz zu sagen, er solle sich nicht so anstellen, sonst würde es ihm schlecht ergehen.
»Aber ich verlange, dass er mir drei Schritte entgegen kommt!«, keifte Quasselstrippe. »Eine Wache muss nicht un bedingt sein, aber die elementarsten Regeln sollte man schon einhalten! Ich verlange ja nicht, dass er mich an der Tür empfängt, aber ich bestehe darauf, dass er mir drei Schritte entgegenkommt und den Hut zieht!«
»Von wem sprichst du?«, fragte ich, wie vor den Kopf geschlagen.
»Na, von wem wohl? Von diesem, von eurem … Wie heißt doch gleich euer Oberhaupt? Wunjukow?«
»Dummkopf!«, zischte ich. »Wenn du willst, dass sie dich anhören, dann geh sofort rein! Dir bleiben dreißig Sekunden!«
Quasselstrippe gab sich geschlagen. Über die Verletzung sämtlicher Anstandsregeln murrend, betrat er den Sitzungssaal und lümmelte sich dreist und ohne »Guten Tag« zu sagen auf den Demonstrationstisch. Lawr Fedotowitsch, dessen Augen nach den gestrigen Strapazen noch gelb und trübe
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