Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
Vom Netzwerk:
Chlebowwodow schwimmen müssten. Farfurkis erwiderte, das Aufrufen der Vorgänge obliege einzig und allein einem Vertreter der Städtischen Administration und, falls ein solcher nicht zugegen sei, dem wissenschaftlichen Berater, sodass er meine Worte als Provokation und als Versuch falscher Schuldzuweisung auffasse. Ich erklärte, in vorliegendem Fall weniger wissenschaftlicher Berater zu sein als vielmehr Fahrer eines Dienstwagens, von dem ich mich höchstens zwanzig Schritt weit entfernen dürfe. »Den Anhang zur Straßenverkehrsordung sollten Sie doch eigentlich kennen«, bemerkte ich vorwurfsvoll, da ich mich auf der sicheren Seite fühlte. »Paragraf einundzwanzig.«
    Eine Verlegenheitspause trat ein. Der schwarze Regenschirmgriff ragte noch immer unbeweglich am Horizont empor. Alle beobachteten bang, wie sich langsam, dem dreiläufigen Geschützturm eines Schlachtschiffes gleich, Lawr Fedotowitschs Kopf drehte. Wir alle befanden uns auf dem gleichen Floß, und niemand wollte die Salve abkriegen.
    »Bei Gott dem Allmächtigen«, jammerte der Kommandant, der in Unterwäsche kniete. »Ich habe keine Angst zu schwimmen oder zu ertrinken! Aber Lisaweta … Sie hat einen Schlund wie ein Metroeingang! Sie verschlingt nicht nur mich, sondern eine ausgewachsene Kuh, als wär’s ein Samenkorn! Schlaftrunken, wie sie ist …«
    »Wozu müssen wir sie überhaupt aufrufen?«, schaltete sich Farfurkis leicht nervös ein. »Schließlich und endlich sieht man schon von Weitem, dass sie nichts Interessantes darstellt. Ich schlage vor, sie zu rationalisieren und als unbrauchbar abzuschreiben.«
    »Jawohl, schreiben wir das Miststück ab!«, stimmte Chlebowwodow freudig zu. »Eine Kuh verschlingt sie? Na und? Das ist doch keine Sensation! Eine Kuh kann ich auch verschlingen, aber versuch erst mal einer, pro Kuh fünfzehn Ferkel aufzuziehen. Verstehst du? Das soll mir erst mal einer nachmachen!«
    Schließlich fuhr Lawr Fedotowitsch das schwerste Geschütz auf: Er besah sich seine Mitarbeiter durch das Theaterglas. Doch statt einer Horde verfeindeter Individuen, eines schäumenden Strudels widerstreitender Emotionen, statt einer Büchse voll undisziplinierter, die Autorität der Troika untergrabender Spinnentiere erblickte er im Sichtfeld seiner Zielvorrichtung ein zusammengeschweißtes Kollektiv von Leuten voller Enthusiasmus und Tatendrang, deren einziger, brennender Wunsch es war, diese Pestwanze Lisa ab zuschreiben und zum nächsten Punkt überzugehen. Die Salve blieb aus. Der Geschützturm drehte sich in entgegengesetzter Richtung, und die furchterregende Mündung fixierte nun den nichtsahnenden Regenschirmgriff am Horizont.
    »Das Volk …«, tönte es aus dem Kommandoturm. »Das Volk blickt weiter. Diese Plesiosaurier braucht das Volk …«
    »Überhaupt nicht!« Chlebowwodow feuerte nur ein kleines Kaliber ab, verfehlte jedoch sein Ziel.
    Wie sich herausstellte, brauchte das Volk diese Plesiosaurier dringend. Einzelne Mitglieder der Troika schienen dagegen jegliches Gefühl für die Perspektive verloren zu haben, während die Kommandanten vergaßen, wessen Brot sie aßen, und einzelne Vertreter unserer ruhmreichen wissenschaftlichen Intelligenz dazu neigten, die Welt durch eine schwarze Brille zu betrachten. Die Verhandlung des Vorgangs Nummer acht wurde demzufolge auf den Winter verschoben, wo das Eis betreten werden konnte. Andere Vorschläge gab es nicht und Fragen an den Vortragenden schon gar nicht. Dabei blieb es.
    »Kommen wir zur nächsten Frage«, fuhr Lawr Fedotowitsch fort, und die Ordentlichen Mitglieder der Troika eilten, wie immer einander schubsend, in den Wagenfond. Der Kommandant zog sich hastig an und murmelte: »Na warte, Lisaweta, das sollst du mir büßen. Hast von mir immer die besten Stücke bekommen. Wie meine eigene Tochter hab ich dich … Du schwimmendes Mistvieh!«
    Wir folgten dem Feldweg am Seeufer entlang. Der Weg war miserabel, und ich dankte dem Himmel, dass es ein trockener Sommer war, sonst wären wir rettungslos verloren gewesen. Doch ich hatte dem Himmel zu früh gedankt, denn je näher wir dem Sumpf kamen, umso mehr verschwand der Weg und verwandelte sich in zwei mit Riedgras bewachsene glitschige Rinnen. Ich schaltete den Geländegang ein und versuchte, die physischen Kräfte meiner Mitfahrer einzuschätzen. Von dem dicklichen, schlaffen Farfurkis durfte ich keine Hilfe erwarten. Chlebowwodow wirkte zwar recht kräftig, aber ich wusste nicht, ob er sich von den Magenbeschwerden schon

Weitere Kostenlose Bücher