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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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hinzuhören: Ich bin schon sehr alt, Felix Alexandrowitsch. Sie können sich nicht vorstellen, wie alt ich bin. Manchmal merke ich, dass mir ein ganzes Jahrhundert entfallen ist. Zum Beispiel erinnere ich mich noch ganz gut an die Zeit vor der Brester Kirchenunion und auch an das, was nach der Union von Ushgorod kam, aber was dazwischen lag, ist wie weggeblasen. Sie können sich also vorstellen, wie viele Anwärter ich in meinem Leben schon gesehen habe. Was waren nicht alles für Leute darunter. Ein byzantinischer Staatsbeamter, ein mongolischer Krieger, ein Anhänger der ketzerischen Bogomilen-Bewegung, ein Juwelier aus Krakow … Und wie drängten sie alle zur Quelle! Abgehackte Köpfe schleppten sie an und warfen sie mir vor die Füße: »Ich! Ich will an seine Stelle treten!« Natürlich herrschen heute andere Sitten, und es ist nicht mehr üblich, einander den Kopf abzuhacken. Aber das ist ja auch gar nicht nötig! Wir brauchen nur Ihr Einverständnis, Felix Alexandrowitsch. Doch nein! Er weigert sich! Was sind Sie bloß für ein Mensch? Dabei glaubte ich Sie zu kennen. Sie sind doch alles andere als ein Musterexemplar! Nehmen wir nur mal das Trinken oder die Frauen, materielle Bedürfnisse sind Ihnen auch nicht fremd. Und plötzlich diese Unnachgiebigkeit! Wirklich, ich bin erschüttert, Felix Alexandrowitsch. Sie haben mich mitten ins Herz getroffen. Erst konnten Sie nicht begreifen, was los war, dann fingen Sie an zu begreifen, konnten es aber nicht glauben, und jetzt begreifen und glauben Sie’s … Sollen wir Ihnen vielleicht einen Märtyrerkranz aufsetzen? Aber nein, Kränze wird Ihnen niemand flechten. Sind Sie ein Fanatiker? Nein. Ein Masochist? Das schon gar nicht. Also sind Sie ein Homo novus. Ich ziehe den Hut vor Ihnen und verneige mich tief. Dabei habe ich mir eingebildet, die Menschen durch und durch zu kennen. Er wirft einen Blick auf die Uhr und steht auf. Dann sagt er nachdenklich. Na ja, jedem das Seine. Kommen Sie, Felix Alexandrowitsch, die Zeit ist um.
    Im Arbeitszimmer stöbert Natalja im Bücherregal, zieht ein Buch nach dem anderen heraus, liest aufs Geratewohl ein paar Zeilen und lässt es dann achtlos zu Boden fallen. Kurdjukow tappt über die verstreuten Bücher, die Kaffeelachen und Scherben hinweg von einer Ecke in die andere. Seine Arme sind angewinkelt, und die Finger bewegen sich rhythmisch, als dirigiere er ein unsichtbares Orchester. Der Karierte hat sich an der Wand aufgestellt und beobachtet aufmerksam Kurdjukows Hin und Her. Iwan Dawydowitsch blättert in zusammengehefteten Zeitungen.
    Draußen wird es hell. Es ist neblig. Pawel Pawlowitsch und Snegirjow kommen herein.
    IWAN DAWYDOWITSCH : Na endlich! Wirft die Zeitungen beiseite. Also, Felix Alexandrowitsch, Ihre Entscheidung?
    PAWEL PAWLOWITSCH : Einen Augenblick, Magister. Ich möchte etwas präzisieren. Ich habe mir die Sache überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, dass der Rittmeister recht hat. Von jetzt an bin ich für unseren teuren Bassawrjuk. Wie’s so schön heißt, ist ein alter Freund besser als zwei neue.
    KURDJUKOW : Mein Wohltäter!
    NATALJA : Ich auch. Zum Teufel mit Menschen, die sich die Hände nicht schmutzig machen wollen.
    KURDJUKOW : Wohltäterin! Streckt Snegirjow triumphierend die Zunge heraus.
    IWAN DAWYDOWITSCH nach einer Pause: Ach, so ist das? Na, da kann man nichts machen. Ich dagegen unterstütze Felix Alexandrowitschs Kandidatur ganz entschieden. Und ich kann jedem beweisen, dass er für unsere Runde ein unbestreitbarer Gewinn wäre. Er wirft einen kurzen Blick auf den Karierten. Der tritt zackig einen Schritt vor und stellt sich neben ihn.
    KARIERTER : Ich bin auch für den Herrn Schriftsteller. Wenn die anderen ihre Meinung ändern, dann tue ich das auch.
    KURDJUKOW weinend: Warum das? Ich war doch immer dafür … Ich bin doch einer von Ihnen … Und er will ja auch gar nicht …
    PAWEL PAWLOWITSCH : Erstens will er gar nicht. Und zweitens, Magister, sind Sie trotz allem in der Minderheit.
    IWAN DAWYDOWITSCH : Ich verlange ja überhaupt nicht, dass wir sofort endgültige Entscheidungen treffen. Es ist schon hell, heute richten wir sowieso nichts mehr aus, wir sind einfach noch nicht so weit und müssen alles noch einmal gründlich überdenken. Herrschaften! Wir gehen jetzt auseinander. Zeit und Ort unserer nächsten Begegnung teile ich jedem Einzelnen beizeiten mit.
    KURDJUKOW krächzend: Der läuft doch zur Miliz … Auf der Stelle!
    IWAN DAWYDOWITSCH blickt Snegirjow durchdringend

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