Gesammelte Werke 6
ist das auch ein Aspekt unserer Unsterblichkeit, auf den Sie von allein nie kommen würden. Ich weiß nicht, welcher Art die Unsterblichkeit Ahasvers war – der Legende nach war er ein gehässiger, hagerer Greis, ein vollkommener Asket. Unsere Unsterblichkeit jedoch ist eine ganz andere! Es ist die Unsterblichkeit der Olympier, die sich am Nektar berauschen, und die der ewig schmausenden Krieger der Wal halla. Das Elixier ist etwas Wunderbares! Sie können essen, was Sie wollen – außer vielleicht vergammeltes Zeug, bei dem Ihnen ohnehin der Appetit vergeht. Sie können jedes beliebige Getränk – außer natürlich Giften – in beliebigen Mengen zu sich nehmen. Kein Katarrh, keine Gastritis, kein Darmverschluss, keine Verstopfung … Und bei alldem bleibt Ihr Geruchs- und Geschmackssinn immer in Hochform. Welch grenzenlose Möglichkeiten des Genusses! Welch unüberschaubares Feld für Experimente! Dabei essen Sie doch gern etwas Gutes, Felix Alexandrowitsch! Sicher, Sie verstehen’s nicht, aber essen tun Sie gern! Also werden Sie sich bei uns wohlfühlen. Ich werde Ihnen einiges beibringen können, und Sie werden mir ewig – jawohl, ewig! – dankbar sein.
SNEGIRJOW : Sie sind ja ein Poet der Unsterblichkeit! Der unsterbliche Gott der Gastronomie!
PAWEL PAWLOWITSCH : Bitte keine Gehässigkeiten. Die sind hier unangebracht. Im Grunde genommen wollte ich Ihnen nur helfen, Ihre jugendlichen Skrupel zu überwinden. Natürlich sind Sie’s nicht gewohnt, mit einem fremden Leben nach Ihrem Gutdünken umzuspringen, das ist in der heutigen Gesellschaft nicht üblich. Vielleicht haben Sie auch einfach Angst, etwas zu riskieren? Dabei besteht gar kein Risiko. Und wenn er noch so lange nach einem Degen schreit – er bekommt keinen. Er bekommt entweder eine Pille oder eine Spritze – der Magister bevorzugt Spritzen – oder »russisches Roulette«. Das ist alles eine Frage der Technik und der Geschicklichkeit, das nehme ich als Ältester in die Hand. Für den Erfolg garantiere ich Ihnen.
SNEGIRJOW : Hören Sie, was hätten Sie davon? Was würden Sie gewinnen, Verehrtester? Fehlt Ihnen etwa jemand zum Anstoßen? Mit Ihrem Nektar …
PAWEL PAWLOWITSCH : Der Gewinn dürfte gerade für Sie nicht zu übersehen sein. Erstens wäre dieser Schwächling aus dem Weg geräumt. Das Ekel hat mir meinen Koch ausgespannt, meinen unbezahlbaren Gérard. Die Spielschulden habe ich ihm längst verziehen, aber Gérard! Das kann ich nicht vergessen, ich will’s auch nicht, bitten Sie mich gar nicht erst darum. Und dann … In unserer Runde herrscht kein Gleichgewicht, das ist das Problem. Ich bin der Älteste, spiele aber bloß die zweite Geige. Und warum? Weil dieser Holzkopf von Rittmeister aus irgendwelchen Gründen unseren Alchimisten für den Anführer hält. Aber was ist das schon für ein Anführer? Der hat noch in den Windeln gelegen, als ich schon der Bewahrer der drei Schlüssel war. Jetzt aber bewahrt er zwei Schlüssel und ich nur einen!
SNEGIRJOW : Ich verstehe Sie ja. Aber ich bin nicht der Rittmeister.
PAWEL PAWLOWITSCH : Ach, mein Guter! Was heißt, nicht der Rittmeister? Sie sind ein kräftiger Mann, haben eine gewandte Zunge, ja, Sie sind sogar Schriftsteller, das heißt ein Mann mit Fantasie. Wir beide könnten Berge versetzen! Ich würde Sie mit der Marquise aussöhnen. Warum sollten Sie sich nicht mit ihr vertragen? Dann wären wir schon drei.
SNEGIRJOW : Vielen Dank für die Ehre, Verehrtester, aber ich fürchte, ich muss ablehnen.
PAWEL PAWLOWITSCH : Und warum, wenn man fragen darf?
SNEGIRJOW : Es widert mich an.
Pause
PAWEL PAWLOWITSCH : Erlauben Sie mir, ein Resümee zu zie hen. Da ist einerseits die praktische Unsterblichkeit, durch Genüsse verschönt, die ich hier nur in gröbsten Zügen andeuten kann. Andererseits ist da der baldige Tod – wie ich annehme, noch in der nächsten Woche –, ein obendrein vielleicht sogar qualvoller Tod. Und Sie entscheiden sich …
SNEGIRJOW : Ich ziehe ein ganz anderes Resümee.
PAWEL PAWLOWITSCH : Ach, mein Guter, als ob es hier um Worte ginge. Wollen Sie die Unsterblichkeit oder nicht?
SNEGIRJOW : Zu Ihren Bedingungen? Natürlich nicht.
PAWEL PAWLOWITSCH reißt die Arme hoch: »Zu Ihren Bedingungen!« Was sind Sie nur für ein Mensch, Felix Alexandrowitsch? Soll man sich nun über Sie entsetzen? Sich vor Ihnen verneigen? Oder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen?
SNEGIRJOW : Warten Sie. Ich werde es Ihnen gleich erklären.
PAWEL PAWLOWITSCH ohne
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