Gesammelte Werke 6
Petenka Skorobogatow, und das trostlose Profil seines Billardspielerfreundes. Beide sahen aus, als säßen sie von Anfang an hier, unverrückbar und zu Recht. Der Billardspieler rührte sich nicht und starrte nur zum Präsidium: Offenbar weckte die grüne Tischdecke in ihm angenehme Assoziationen. Der Allunionsdrops dagegen war unglaublich aktiv. Alle naslang drehte er sich seiner rechten Nachbarin zu und redete auf sie ein, wobei er drohend den dicken Zeigefinger schüttelte; dann beugte er den ganzen Körper nach vorn, schob den Kopf zwischen die Köpfe der Leute vor ihm und erklärte ihnen etwas, wobei sein leicht angehobener dicker Hintern die unmöglichsten Veränderungen durchmachte; danach lehnte er sich, als sei er mit der Auffassungsgabe seiner Gesprächspartner durchaus zufrieden, auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und lauschte wohlwollend und mit leicht zugewandtem Ohr, was man ihm von hinten zuflüsterte.
Vom Podium verkündete wer: »… in Zeiten wie der unseren, da jeder seine ganze Kraft dem Fortgang der linguistischen Untersuchungen, der Entwicklung und Vertiefung unserer Beziehungen zu den angrenzenden Wissenschaften widmen muss, in solcher Zeit ist es besonders dringlich, die Arbeitsdisziplin aller und eines jeden zu festigen und zu steigern. Ebenso das ethisch-moralische Niveau jedes Einzelnen und aller, die seelische Reinheit, die persönliche Ehrenhaftigkeit …«
»Und die Viehzucht!«, rief plötzlich Petenka Skorobogatow energisch dazwischen und reckte seinen Arm mit dem erhobenen Zeigefinger schräg nach oben.
Unverständliches Stimmengewirr brach los. Auf der Tribüne gerieten sie in Verwirrung.
»Natürlich … ohne Zweifel … auch die Viehzucht … Aber was konkret den Genossen Shukowitzki anbelangt, so dürfen wir nicht vergessen, dass er unser Kollege ist …«
Sieh mal an, der Allunionsdrops! Sagt, was ihr wollt, aber irgendwas hat er! Trotz seiner ewig verquollenen Schweinsäuglein, des ständigen Alkoholdunsts, der ihn wie eine eigene Atmosphäre umgibt. Trotz der beispiellosen Talentlosigkeit und Pfuscherei in seinen Machwerken für Schüler. Und trotz seiner Gewohnheit, sich uneingeladen an den Tisch zu setzen und, ohne zu fragen, mitzutrinken … Doch, nein, da tue ich ihm Unrecht. Natürlich hat er in der Regel kein Geld bei sich, weil er immer alles durch die Kehle jagt. Aber wenn er bei Kasse ist, darf jeder dazukommen, essen und trinken bis zum Umfallen und auch noch was mitnehmen.
Er hat Ideen – und das entschuldigt ihn. Er ist einer, der die unmöglichsten Einfälle wahr macht, solche, wie man sie bestenfalls aus Witzen kennt.
Einmal, im Schriftstellerheim in Muraschi, hatte der Dumm kopf Rogoshin den Drops öffentlich abgekanzelt, weil er angetrunken im Speisesaal erschienen war, und ihm obendrein eine Standpauke über die Moral des Sowjetschriftstellers gehalten. Der Drops hatte sich das alles mit verdächtiger Demut angehört, und am nächsten Morgen stand auf einem großen Schneehaufen direkt vor der Freitreppe des Hauses zu lesen: »Rogoshin, ich liebe Sie!« Die Inschrift war mit einem gelben Strahl ausgeführt worden, der, an der Tiefe seines Eindringens in den Schnee gemessen, ziemlich warm gewesen sein musste …
Und nun stellen Sie sich folgendes Bild vor: Die männli che Hälfte der Bewohner Muraschis krümmt sich vor Lachen. Der Allunionsdrops stolziert mit grimmigem Gesicht zwischen ihnen umher und tönt: »Also, wisst ihr, das ist nachgerade unmoralisch. So etwas tun Schriftsteller nicht …« Die weibliche Hälfte verzieht angeekelt das Gesicht und fordert, die Ferkelei sofort zuzuschippen. Entlang der Inschrift aber läuft, wie ein Raubtier im Zoo, Rogoshin, immer hin und zurück, und lässt bis zum Eintreffen der Untersuchungsorgane niemanden heran. Die Untersuchungsorgane haben es nicht eilig, dafür aber macht jemand eilfertig für Rogoshin (und für sich) Aufnahmen: die Inschrift, Rogoshin vor der Inschrift, nur Rogoshin und wieder die Inschrift. Rogoshin nimmt ihm den Film ab und eilt damit nach Moskau – fünfundvierzig Minuten mit dem Vorortzug, nicht der Rede wert.
Mit dem Film in der einen und einer umfänglichen Beschwerde über Petenka in der anderen Tasche stürzt Rogo shin in unser Sekretariat, um ein Disziplinarverfahren wegen Diffamierung einzuleiten. Im Fotolabor des Klubs macht man ihm flugs ein Dutzend Abzüge, er nimmt sie und wirft sie Fjodor Michejitsch empört auf den Tisch. Gerade zu der Zeit
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