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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Kaderleiter weiß wahrscheinlich selbst nicht mehr, was er noch fragen soll. Hat er sich auch nach deiner Mutter erkundigt?«
    »Ja.«
    »Na bitte! Schneid mir mal Weißbrot ab.«
    »Er wollte wissen, warum sie sich von dir hat scheiden lassen«, erzählte Katja, während sie das Brot aufschnitt.
    Ich hielt mich mühsam zurück, um nicht Messer und Gabel auf den Tisch zu werfen: so eine Gemeinheit, was ging das diesen Hund an! Aber dann dachte ich, hol sie doch alle der Kuckuck, was habe ich mit ihnen zu schaffen? Und wenn Katja nicht nach Ganda geschickt wird, umso besser. Katja in Ganda, das fehlte mir noch, wo doch dort geschossen wird und sich Scharen von Schwarzen mit Napalm bekippen.
    »Die Fragen waren alle so merkwürdig«, meinte Katja leise. »So ungewöhnlich. Paps, ist bei dir wirklich alles in Ordnung? Verheimlichst du auch nichts?«
    Genau deshalb lass ich meine eigene, einzige und geliebte Tochter auch nicht eine Seite aus der Blauen Mappe lesen! Welche Angst sie damals ausgestanden hat, als man mich nach Bryshejkins Artikel über meine »Modernen Märchen« mit dem ersten Herzanfall fortbrachte; seitdem hat sie einen Knacks. Und auch jetzt: Sie lächelt, reißt Witze, tut forsch, doch in ihren Augen steht Angst. Ich sehe noch vor mir, wie sie mit den gleichen Augen im Krankenhaus an meinem Bett saß.
    Ich beruhigte sie, so gut ich konnte, und wir tranken Tee. Katja erzählte von den Zwillingsbanditen, ich von Petenka Skorobogatow und der Versammlung; es wurde richtig gemütlich, und der Gedanke, dass sich Katja in einer Viertelstunde anziehen und gehen würde, machte mich traurig. Ich riss mich zusammen, gab ihr die Autos für die Banditen mit und die Einladungskarte für das Konzert. Sie nahm sie begeistert entgegen und begann, mir von diesem Sänger zu erzählen, wie berühmt er jetzt sei, und ich hörte ihr zu und grübelte darüber nach, wie ich ihr möglichst schonend beibringen konnte, dass ich den Salon und den Pelzmantel (wieder ein Pelzmantel!) zwar keineswegs vergessen hatte – ich denke an diesen Pelz, obwohl sie, Katja, mich nicht daran erinnert! –, aber es einfach noch nicht geschafft hatte … An dem Punkt dämmerte mir, dass sich mit ihrer Dienstreise die Frage nach dem Pelzmantel ganz von selbst erledigt hatte: Wirklich, wozu brauchte sie einen Pelz in Ganda?
    Sie war bereits angezogen, als das Telefon schrillte. Wir verabschiedeten uns eilig, und ich griff nach dem Hörer. Kyrie eleison! Herr, errette uns und erbarme dich! Oreschin war am Apparat.
    Er rief mich an, damit ich ihm gegenüber sofort und unverzüglich, unzweideutig und ohne Umschweife meiner positiven Haltung zu seinem gerechten Kampf gegen den dreisten Plagiator Semjon Kolesnitschenko Ausdruck verlieh. Hätte er sich meiner positiven Einstellung versichert, und er wolle nicht verhehlen, dass ich nicht der Erste war, den er um Hilfe bat, schon mehrere Sekretariatsmitglieder von Rang und Namen hätten ihm ihre volle Unterstützung im unerbittlichen Kampf gegen den Plagiator zugesichert, ohne die, natürlich, eine auch nur halbwegs reale Hoffnung auf Erfolg bei der Entlarvung der Plagiatorenmafia undenkbar wäre …
    Mit geradezu krankhafter Neugier wartete ich, wie er sich aus dieser syntaktisch verwickelten Spirale herauswinden würde; ich hätte gewettet, dass er den Anfang seines ungeheuren Schachtelsatzes schon vergessen hatte, doch damit unterschätzte ich ihn.
    Wenn er sich nämlich meiner positiven Einstellung versichert hätte, könne er, Oreschin, auf der bevorstehenden Sekretariatssitzung das Problem der Plagiatorenmafia mit all jener Schärfe und Deutlichkeit zur Sprache bringen, die uns immer fehle, wenn es um Leute gehe, die formal unsere Kollegen waren, aber in sittlich-moralischer Hinsicht …
    Ich legte vorsichtig den Hörer auf den Tisch, holte mir ein Glas Wasser und nahm mein Nitrangin. Oleg Oreschin plapperte immer noch, und wieder versuchte ich, seinen Charakter zu verstehen. Ehrlich gesagt, hatte ich ihn vor einem Monat, als der Streit entbrannt war, für einen ganz gewöhnlichen Antisemiten gehalten, so wie es die Leibgardisten waren. Doch jetzt wurde mir klar, dass ich mich geirrt hatte. Er war kein Antisemit. Er war nicht mal ein politischer Dema goge. Er war tatsächlich aufrichtig erschüttert: Während er unter Qualen (vielleicht auch in einem Anfall mitreißender Inspiration) eine ethisch-moralische Fabel geschaffen, die brutalen und gierigen Bären wie auch die gewandten, durchtriebenen

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