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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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unmodern, zudem altmodisch gebunden.
    »Schließen Sie bitte die Tür«, sagte er mit weicher, angenehmer Stimme.
    Ich drehte mich um und sah, dass ich die Tür halb offen gelassen hatte, also entschuldigte ich mich und schloss sie. Danach nannte ich meinen Namen. Etwas veränderte sich in seinem Gesicht, und ich schloss, dass ihm mein Name bekannt war. Sich selbst stellte er allerdings nicht vor, er sagte nur: »Sehr erfreut. Wenn es Ihnen recht ist, schauen wir uns jetzt an, was Sie mitgebracht haben. Kommen Sie, nehmen Sie hier Platz.«
    In seinen schlichten, sogar sehr schlichten Worten klang, wie mir schien, eine gewisse Überlegenheit an, und zwar so deutlich, dass ich plötzlich das Bedürfnis verspürte, mich zu rechtfertigen, dass ich keineswegs geschwänzt hatte, sondern sich die Umstände in letzter Zeit so ergeben hatten. Außerdem war ich ja gestern schon hier gewesen, buchstäblich zwanzig Schritte hatten mich von seiner Tür getrennt, und auch das wieder aus Gründen, an denen ich unbeteiligt gewesen war.
    Doch ging dieser Anfall von schuldbewusster, heftiger, ja fast körperlich spürbarer Ehrfurcht schnell vorüber, und natürlich sagte ich nichts dergleichen, sondern trat einfach an seinen Tisch, legte ihm meine Mappe vor und setzte mich auf einen recht bequemen Stuhl. Schon trieb es mich zum anderen Extrem, und ich hätte mich am liebsten hingeflegelt, die Beine übereinandergeschlagen, zerstreut umhergeschaut und eine dreiste Gedankenlosigkeit von mir gegeben wie: »Ihr Wissenschaftler lebt nicht schlecht, habt euch ja flott eingerichtet!«
    Aber auch so etwas verkniff ich mir selbstverständlich; nicht einmal die Beine schlug ich übereinander, sondern saß still und anständig da und sah dabei zu, wie er meine Mappe zu sich zog und ebenso vorsichtig wie akkurat die Bändchen aufschnürte. Sein breiter, schmallippiger Mund schien zu lächeln, und es kam mir so vor, als blicke er mich durch die ins Gesicht gefallenen Haarsträhnen an – neugierig oder spöttisch, doch unverkennbar wohlwollend.
    Das Erste, was er dann sah, waren die Noten. Seine Brauen zogen sich leicht nach oben. Ich stammelte verlegen Entschuldigungen und streckte die Hand nach der vermaledeiten Partitur aus, doch er hielt mich, ohne den Blick von den Notenzeilen zu lösen, mit einer Handbewegung zurück. Zweifelsohne war er in der Lage, die Noten zu lesen, und zweifelsohne interessierte er sich dafür, denn als er mir endlich erlaubte, die Blätter des gefallenen Engels aus der Mappe zu nehmen, sah er mich mit traurigen grauen Augen an und murmelte: »Ich muss schon sagen, in den alten Mappen mancher Schriftsteller finden sich überaus interessante Papiere …«
    Ich blieb ihm die Antwort schuldig, und er erwartete auch keine, sondern blätterte bereits rasch, doch sorgsam in den Kopien meiner Gutachten zu einigen längst in den Redaktionsarchiven vermodernden Machwerken aus dem unerschöpflichen Quell der unverlangten Manuskripte, sah in die Annotationen zu japanischen Patenten, besah sich die Manuskripte meiner Übersetzungen aus japanischen Technikzeitschriften und anderen Plunder, der aus jenen für mich schwarzen Jahren übrig geblieben war – einer Zeit, in der man mich diffamiert und nicht gedruckt hatte …
    Er blätterte – offensichtlich in der Hoffnung, in diesem Haufen Schund wenigstens etwas halbwegs Nützliches zu finden. Ich schämte mich furchtbar und kam mir vor wie ein Schwein, denn dort saß ein Mensch, präzise und ernsthaft – nicht irgendein Stümper und Konjunkturritter. Von Sorokin hatte er anscheinend schon etwas gelesen und von ihm ernstzunehmendes Material erwartet, auf das man sich bei der Arbeit stützen konnte. Anständigkeit hatte er erwartet, doch Sorokin schleppte ihm einen Sack voll Mist an und kippte ihm den auf den Schreibtisch – hier, bitte, erstick dran!
    Solche Gefühle peinigten mich, als er endlich die beschämende Mappe schloss, seine bleichen Hände mit den langen schmalen Fingern darauf legte und mich erneut ansah. Dann sagte er: »Ich sehe, Felix Alexandrowitsch, dass Sie der objektive Wert Ihres Werks überhaupt nicht interessiert.«
    Ich weiß nicht, ob in seinen Worten oder seinem Ton ein Vorwurf mitschwang, doch aus plebejischem Widerspruchsgeist zeigte ich ihm sofort die Krallen.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Wie ich darauf komme?« Er klopfte mit dem Fingernagel auf die Mappe. »Aus diesem Material geht lediglich hervor, dass Sie eine miserable Handschrift haben und man

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