Gesammelte Werke 6
in Japan viel über Brennstoffelemente geschrieben hat.«
Der zänkische Dämon des Widerspruchs regte sich in mir und drängte mich zu gehässigen, feigen Rechtfertigungen: Na und, es hieß ja wohl, ein beliebiges Manuskript, und hier haben Sie ein beliebiges, bitte; manche Leute wissen nicht, was sie wollen, und dann sind sie unzufrieden … Doch ich sagte nichts dergleichen, zog nur den Kopf ein und nuschelte: »Es hat sich so ergeben …« Dann ergänzte ich, unerwartet für mich selbst: »Nehmen Sie es mir bitte nicht übel.«
»Aber nein«, erwiderte er und lächelte seltsam, beküm mert und freundlich zugleich. »Wie könnte ich es Ihnen übel nehmen, Felix Alexandrowitsch? Im Grunde ist es für Sie doch wichtiger als für uns.«
Erst da wurde mir bewusst, was für einen verblüffenden Gedanken er vor einer Minute geäußert hatte.
»Verzeihung«, sagte ich und senkte die Stimme. »Sie scher zen doch sicher? Wie meinten Sie das mit dem objektiven Wert?«
»Im Wortsinne.« Er hörte auf zu lächeln.
»Wie ist denn das möglich? Dann haben Sie hier wohl so etwas wie ein Zoilusmaß erfunden?«
»Ja, warum nicht? Dieses Maß, und vieles andere …«
»Hören Sie! Das ist doch Unsinn! Wie kann ein literarisches Werk einen objektiven Wert besitzen?«
»Was spricht denn dagegen?«, wollte er wissen.
»Ja, zumindest … Das liegt doch, entschuldigen Sie, auf der Hand! Mir beispielsweise gefällt etwas, und Ihnen wird von jedem Wort schlecht. Heute spricht die ganze Welt davon, und morgen haben es alle vergessen.«
»Das stimmt natürlich, Felix Alexandrowitsch. Aber was hat es mit dem objektiven Wert zu tun?«
»Es hat damit zu tun«, sagte ich hitzig, »dass ein objektiv wertvolles Werk sowohl für Sie als auch für mich von Wert sein muss, und es muss diesen Wert immer haben: gestern, heute und morgen. So etwas gibt es aber nicht, kann es nicht geben!«
Er wandte ein, dass ich den objektiven mit dem ewigen Wert verwechsle. Ewige Werte gäbe es tatsächlich nicht, nichts in der Literatur oder der Kunst werde immer und von allen geschätzt. Aber hätte ich nie bemerkt, dass viele Werke, um die es mit der Zeit still geworden sei und von denen man geglaubt habe, sie hätten ihr Leben gelebt, dass diese Werke nach Jahrhunderten plötzlich wieder aktuell würden und erneut die Gemüter bewegten und lebten, sogar stärker als früher? Vielleicht sei es sinnvoll, gerade diese Eigenschaft – erneut zum Leben zu erwachen – als Maß für den objektiven Wert zu nehmen? Wobei das nur eine Möglichkeit sei, sich dem Problem des objektiven Wertes zu nähern. Es gebe auch andere, funktionellere, die zur Algorithmisierung besser geeignet seien.
Während ich ihm zuhörte, spürte ich geradezu physisch, dass meine Erregung abfloss wie Wasser im Sand. Ich habe eine Schwäche für Streitgespräche, besonders wenn es um solche abstrakten, theoretischen Themen geht – unter der Voraussetzung allerdings, dass eine bestimmte Atmosphäre herrscht: leichte Euphorie, eine gemütliche Runde, natürlich eine Karaffe und noch eine zweite, da sie ja bald gebraucht wird … In diesem Labor hingegen, im toten Licht von Queck silberröhren, zwischen groben Schränken, Endlospapier und Diagrammen sowie in der Gesellschaft eines Mannes, der mich einschüchterte, statt in geselliger Runde … Nein, meine Herren, unter solchen Umständen konnte ich nicht diskutieren!
Und als hätte er meine Gedanken erraten, sagte er: »Übrigens ist es sinnlos, darüber zu streiten, Felix Alexandrowitsch. Denn die Maschine, mit der sich der objektive Wert belletristischer Werke messen lässt – das Zoilusmaß, wie Sie es nennen –, existiert. Sogar schon ziemlich lange. Als man diese Maschine fertig entwickelt hatte, kam eine andere Frage auf, und die war viel wichtiger, nämlich: Braucht über haupt jemand den objektiven Wert eines literarischen Werks? Das Schicksal des ersten funktionierenden Modells der Maschine und ihres Erfinders ist dabei außerordentlich aufschlussreich … Verzeihung, ermüde ich Sie nicht?«
Eine unheimliche Vorahnung hatte bereits Besitz von mir ergriffen, so schüttelte ich rasch den Kopf und gab so gut ich konnte zu verstehen, dass ich kein bisschen müde war und schon sehr auf die Fortsetzung wartete.
Meine Vorahnung trog mich nicht. Er erzählte, wie vor dreißig Jahren ein junger, enthusiastischer Erfinder auf einem Motorrad sein erstes Modell des »Elital«, des »Einstufungs geräts für literarisches Talent«,
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