Gesammelte Werke 6
nach Kukuschkino ins Schrift stellerheim gebracht hatte. Sachar Kupidonytsch hatte dem Computer unerlaubt Sidor Amenpodespowitschs Manuskript eingegeben und das Gutachten des »Elital«, über das sich übrigens keiner wunderte, schwungvoll im Speisesaal verlesen. Anschließend hatte sich neben dem gleichgültigen Rechner eine furchtbare Schlägerei abgespielt zwischen Flavius Vespanianowitsch und einem taktlosen Redakteur des Verlages »Moskauer Literat«. So war das Jubiläum Hosianna Nikiforownas hoffnungslos in die Binsen gegangen, und es verdarben ihr einhundertsieben Portionen Stör am Spieß und Filet nach Suworow-Art, welche man mit dem personengebundenen SIS aus dem Klub herangeschafft hatte. Lukian Ljubomudrowitsch hatte sich eifrig bemüht, den Erfinder zu kaufen, damit dieser seinen verdammten Apparat frisiere – erst hatte er ihm eine Kiste Wodka geboten, dann Geld und schließlich eine Wohnung in einem der Hochhäuser. Mit einem Wort: Der Mann schilderte, wie das Schriftstellerheim in Kukuschkino acht Tage lang zur Hölle wurde, wie man in der Nacht zum neunten die Maschine kurz und klein schlug, und wie nach einem weiteren Tag Methodi Kirilytsch die Angelegenheit in vollem Einklang mit den heutzutage vergessenen Regeln zur Konfliktlösung zum Abschluss brachte.
Aufmerksam lauschte ich der Geschichte und fragte, kaum dass mein Gegenüber verstummt war: »Sie waren also auch mit Anatoli Jefimowitsch bekannt?«
»Selbstverständlich!«, erwiderte er, sogar mit einer gewissen Verwunderung. »Aber wie kommen Sie jetzt auf ihn?«
»Weil alles, was Sie mir erzählt haben, die Idee zu einer Komödie ist, die der verstorbene Anatoli Jefimowitsch schrei ben wollte …«
»Ah, richtig«, sagte er, als fiele es ihm wieder ein. »Nur wollte er diese Komödie nicht nur schreiben – er hat sie tatsächlich geschrieben. Auch er war ein Protagonist, natürlich unter anderem Namen. Und im März ’52 ist das in Kukuschkino wirklich passiert …«
Etwas an diesem letzten Satz ließ mich aufhorchen, doch da war ich schon auf eine andere – wir mir schien – Ungereimtheit gestoßen.
»Was heißt, ›er hat sie tatsächlich geschrieben‹?«, fragte ich. »Mir hat Anatoli Jefimowitsch das alles einen Monat vor seinem Tod erzählt. Und zwar als Idee zu einer Komödie.«
Mein Gesprächspartner lächelte traurig.
»Nein, Felix Alexandrowitsch. Als er Ihnen davon erzählte, war das Stück schon seit einem Vierteljahrhundert fertig. Es lag in drei Exemplaren redigiert, korrigiert und bereit zur Aufführung in seinem Schreibtisch. Erinnern Sie sich an diesen Schreibtisch? Das war so ein alter, großer, mit vielen Schubfächern. Und links, ganz unten, lag die Komödie mit dem ungeschickten Titel ›Elital‹.«
Er sagte das alles so nachdrücklich und gleichzeitig wehmütig, dass mir nichts übrigblieb, als eine Weile zu schweigen. In der Stille öffnete er noch einmal meine Mappe und blätterte in den Manuskripten.
Ich war etwas verstimmt, weil mir Anatoli Jefimowitsch nicht vertraut und mir diesen Teil aus seinem Leben vorenthalten hatte, dabei hatte ich geglaubt, er hätte mich gemocht und anderen vorgezogen. Obwohl, wer war ich schon für ihn gewesen, dass er mir hätte vertrauen sollen? Seiner Gespräche hatte er mich für würdig befunden, in der Küche, beim Tee, wo er nur seine nahen Freunde empfing, doch damit war es anscheinend genug gewesen.
Ich war ein wenig verstimmt, aber in gleichem Maße auch verwundert. Und zwar nicht, weil das Zoilusmaß, wie ich gerade erfahren hatte, längst entwickelt und erprobt war. Nein, mich wunderte, dass mich diese Tatsache überhaupt nicht erstaunte! Denn wie dem auch war – die Existenz einer solchen Maschine warf viele meiner Vorstellungen vom Möglichen oder Unmöglichen über den Haufen.
Wahrscheinlich sprengte schon die Persönlichkeit meines Gesprächspartners so sehr den Rahmen meiner Vorstellungen, dass alles Übrige mir nur noch insofern sonderbar oder bestaunenswert schien, als es sich von ihm herleitete. Ich wollte ihn furchtbar gern fragen, ob er der junge Erfinder gewesen war, der diese Schreckenswoche in Kukuschkino verursacht hatte und dann in Anatoli Jefimowitschs Stück auftauchte. Ich räusperte mich bereits, um den Mund zu öffnen, als er mich mit seinen klaren grauen Augen anblickte und mir sofort klarwurde, dass ich mich um keinen Preis entschließen würde, die Frage zu stellen. So plapperte ich aufs Geratewohl: »Also, wie ist das? Bilden hier
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