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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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rötlichem Rindfleisch dampfte in einem tiefen Teller, die ganze Küche duftete nach Fleisch, Zwiebeln und Lorbeer, und der Kognak floss in ein bauchiges Glas. Das Leben war herrlich, der Horizont klarte auf und erstrahlte vor guten Vorahnungen. Mein Drehbuch hatte ich mehr als zur Hälfte fertig, wegen des Pelzes brauchte ich in keinen Modesalon mehr zu gehen, und ich musste auch nicht mehr, zum Teufel, überhaupt nie mehr in die Bannaja. Alle Schulden waren bis Sonnenuntergang beglichen,wie der junge Mr. Corkran zu sagen pflegte.
    Ich kippte einen Kognak, stopfte mir den Mund voll Kartoffeln und Fleisch und tastete nach dem Fernseher.
    Im ersten Programm sägte jemand auf einer Geige herum. Ich ergötzte mich eine Weile an dem gequälten Gesicht und schaltete dann um. Im zweiten Programm tanzte die Volkskunst, schwenkte bunte Röcke, stampfte mit den Absätzen, nahm sich bei den Händen, ließ wieder los und kreischte von Zeit zu Zeit herzzerreißend auf. Ich stopfte mir wieder den Mund voll und schaltete noch einmal um. Hier unterhielten sich einige betagte Leute an einem runden Tisch. Es ging um Grenzen, die man erreicht habe, um die Entschlossenheit, irgendwo irgendetwas sicherzustellen, um große Taten bei der Rekonstruktion von etwas Eisernem …
    Ich kaute an meinen Kartoffeln, die plötzlich fade schmeck ten, hörte zu und fluchte aus tiefstem Herzen. Dieser Fern seher! Strahlendes Wunder des 20. Jahrhunderts! Fantastisches Konzentrat der Bemühungen, des Talents und des Erfindungsreichtums von Dutzenden, Hunderten, ja Tausenden der besten Köpfe unserer, meiner Zeit! Und wozu? Damit jetzt, nach der Arbeit, zig Millionen erschöpfter Menschen genau wie ich wütend auf den Knöpfchen herumdrückten, weil sie an der unlösbaren Aufgabe scheiterten: Was sehe ich mir an? Den begeisterten Säger? Die verschwitzte Horde der Laientänzer? Oder die trostlosen, vor sich hin stammelnden Spezialisten am runden Tisch?
    Ich entschied mich für den Säger, schenkte mir noch einmal ein, trank einen Schluck und hörte zu.
    Auch so eine Täuschung, dachte ich. Seit meiner Kindheit berieselte man mich mit klassischer Musik. Wahrscheinlich hatte einmal irgendwer gesagt, ein Mensch, den man täglich mit klassischer Musik beriesele, gewöhne sich nach und nach an sie und könne fürderhin gar nicht mehr ohne sie leben – was gut sei. Aber dann ging’s los! Wir wollten Jazz, wir waren verrückt nach Jazz – doch man stopfte uns mit Sinfonien voll. Wir schwärmten für sentimentale Romanzen und Banditenlieder – doch man quälte uns mit Violinkonzerten. Wir brannten darauf, Chansonniers und Liedermacher zu hören – und wurden mit Oratorien gejagt. Hätten all diese übermenschlichen Bemühungen, uns mit klassischer Musik zu durchtränken, auch nur den Wirkungsgrad der Dampfmaschine Denis Papins gehabt, lebte ich heute unter lauter Kennern und Verehrern der klassischen Musik und wäre ohne Zweifel auch selbst einer geworden. Tausende und Abertausende von Rundfunkstunden, Fernsehprogrammen, Millionen von Schallplatten … Und das Ergebnis? Von meinen Freunden kennt sich Garik Aganjan nahezu professionell mit Popmusik aus; Shora Naumow sammelt bis heute Chansons; der Allunionsdrops ist ungefähr so wie ich: je weniger Musik, desto besser. Lenja Fips hasst Musik. Allerdings wäre da noch Walja Demtschenko – er liebt klassische Musik seit seiner frühen Kindheit, die Musikpropaganda hat damit also nichts zu tun.
    Während mir all das durch den Kopf ging, verschwand der Violinist vom Bildschirm; statt seiner stürmten Eishockeyspieler herbei, und einer von ihnen hieb sofort einem anderen den Schläger über den Kopf. Verschämt schwenkte die Kamera zur Seite, das Interessanteste enthielt man mir vor, und ich schaltete den Fernseher aus. Ich war satt, leicht angeheitert, und jetzt brauchte ich nur noch das Geschirr abzuwaschen.
    Später ging ich ins Arbeitszimmer und spazierte, den Zeigefinger auf der Glasscheibe, langsam an meinem Bücherschrank entlang.
    »Krieg und Frieden«. Heute nicht. Ist ja noch kein halbes Jahr her.
    »Tschechow. Briefe«. Nicht die richtige Stimmung.
    Tschukowski. »Von Tschechow bis heute«. Hatte ich kürz lich erst wieder gelesen.
    Aha,Anton Pawlowitsch, in zehn Bänden. Sollte ich mir »Eine langweilige Geschichte« noch einmal vornehmen? Nein. Die heben wir uns für einen tristeren Tag auf.
    Michail Bulgakow. Eine Weile betrachtete ich den braunen Buchrücken: Er war schon etwas beschädigt, hatte

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