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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Reihen mit der ausländischen Literatur, rückte das Modell des Drachenschiffs »Thuyen Rong«, mit dem die alten Vietnamesen ihre Könige umhergefahren hatten, beiseite und zog »The Novels of Dashiel Hammett« heraus. Ich mache es folgendermaßen, beschloss ich, während ich in den Seiten mit Goldschnitt blätterte: Ich lese es heute und morgen noch einmal, zum Abschied. Vorsichtig, um meine schmerzende Seite nicht zu reizen, legte ich mich aufs Sofa, und das Buch in meinen Händen öffnete sich von selbst beim »Malteser Falken«.
    Ich las bis zu der Stelle, wo in aller Herrgottsfrühe Leutnant Dundy und Detektiv Tom bei Sam Spade erscheinen, und dann hielt ich den Schmerz nicht länger aus. Ich legte das Buch beiseite, richtete mich ächzend auf und schob die Füße vom Sofa.
    Mir tat die Seite weh. Zum wer weiß wievielten Mal schmerzte mich diese unglückselige linke Seite. Ich schleppte mich ins Bad, raffte vor dem Spiegel mein Hemd hoch und sah mir den Spaß an. Die Seite war fett und schwabbelig und wies keinerlei Anzeichen einer Verletzung auf. Wie immer, übrigens. Ich ging in die Küche, goss mir den Rest Kognak ins Glas und trank ihn in kleinen Schlucken, so wie die Japaner ihren Sake nippen.
    Zum ersten Mal hatte ich mir die Rippe im Winter ’65 gebrochen, in Muraschi, als mich der Teufel ritt und ich mit einem finnischen Schlitten einen Steilhang, der direkt zum Flüsschen abfiel, hinunterfuhr. Alle rodelten hinunter, also dachte ich: Was sie können, kann ich auch! Aber ich konnte es nicht und bekam mitten im Hang Angst. Ich hatte plötzlich den Eindruck, meine Geschwindigkeit nähere sich der kosmischen, und um nicht sonst wohin zu fliegen, entschied ich abzuspringen. Und das tat ich. Zwanzig Schritt holperte ich auf der linken Seite abwärts durch zerklüftetes Gelände. »Sie haben sich eine Rippe gebrochen«, sagte mir der Chirurg unserer Poliklinik, als ich ihn nach meiner Rückkehr aus Muraschi wegen der Seitenschmerzen konsultierte. Das war das erste Mal.
    Zwei Jahre später ging ich einmal zum Essen in den Klub. Ich blickte mich nach einem freien Tisch um, und in dem Moment stürzte aus einer Ecke der heftig angetrunkene Allunionsdrops auf mich zu. In aggressiv euphorischer Stimmung, weil er gerade das Honorar für eine seiner üblichen Pfuschereien bekommen hatte, schlang er seine langen Arme um mich wie Herkules einst Antäus, hob mich ein wenig hoch und quetschte mich so fest zusammen, dass meine Rippe nur noch kläglich knirschte. »Die ist gebrochen, Alter«, sagte ein befreundeter Arzt besorgt, nachdem ich mich bei ihm über die Schmerzen beklagt hatte. Das war das zweite Mal.
    Und im vorletzten Jahr, als ich mit einer Schriftstellerbrigade auf einem Trockenfrachter von Wladiwostok nach Petropawlowsk reiste, erwischte uns vor der Insel Matsu ein Sturm der Stärke acht. Die Schriftstellerbrigade lag vollgespien, halbtot und doch wohlbehalten in den Kojen, mich aber, der gegen die Seekrankheit gefeit war, trieb der Satan auf Deck. Buchstäblich für eine Sekunde löste ich die Hand von der Reling und wurde mit furchtbarer Wucht gegen das Lukensüll geworfen, wieder auf die linke Seite. »Ich fürchte, Sie haben eine kleine Fraktur«, erklärte mir der Schiffsarzt, und wie sich herausstellte, fürchtete er das zu Recht.
    Das war das dritte Mal gewesen, und so hatte ich geglaubt, mit den Missgeschicken meiner Rippe sei nun endgültig Schluss – denn aller guten Dinge sind drei. Aber wie sich zeigte, braucht eine Hütte eben vier Ecken …
    Niedergeschlagen hielt ich die nun leere Flasche gegen das Licht und stellte sie dann in den Spülschrank. Tee würde ich jetzt trinken, das war es. Ich setzte den Kessel auf, stellte mich ans Fenster und lehnte meine Stirn gegen die kalten Scheiben.
    Abscheuliche Gemeinheit! Dabei hatte es schon so ausgesehen, als sei alles gut, als lägen alle Sorgen hinter mir, aber nein, nun wieder diese Rippe! Der, der mein Schicksal lenkte, hatte die Eleganz seiner Einfälle aufgegeben und sich groben, niederträchtigen Methoden zugewandt. Fand das seinesgleichen? Am helllichten Tag, in einer Millionenmetropole bricht sich ein solider älterer Herr – kein leichtsinniger Sportler, Raufbold oder Alkoholiker – mir nichts, dir nichts eine Rippe! Das war bitter. Bitter und ungehörig.
    Ich holte mir meinen Dashiel Hammett aus dem Arbeitszimmer und suchte am Küchentisch nach einer Stellung, die möglichst wenig schmerzte. Wie schon die früheren Male zeigte sich,

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