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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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sich an einigen Stellen gelöst, und an der unteren Ecke stand ein richtiges Eselsohr ab … Schluss, von nun an leihe ich das Buch keinem mehr. Diese verdammten Liederjane …»Groß war es und fürchterlich, das eintausendneunhundertundachtzehnte Jahr nach Christi Geburt, das zweite aber nach Beginn der Revolution …«
    »Ich werde jetzt den ›Theaterroman‹ lesen«, sagte ich laut. »Es gibt nichts Besseres als den ›Theaterroman‹, und wenn ihr mich prügelt oder totschlagt …«
    Ich nahm das Bändchen von Bulgakow aus dem Schrank, strich sanft mit den Fingern darüber und streichelte den glatten Einband; zum wiederholten Male dachte ich, dass man Bücher, genauso wie Menschen aus Fleisch und Blut, nicht schlecht behandeln dürfe.
    Hinter meinem Rücken schrillte plötzlich das Telefon; ich fuhr zusammen, weil ich mit meinen Gedanken schon nicht mehr hier war, sondern in dem winzigen schmutzigen Zimmerchen mit dem Sofa, und aus dem Sofa stand eine Feder hervor, die es quälend machte wie einen kafkaesken Fieberwahn. Meine geprellte Seite schmerzte auf einmal wieder; ich drückte den kühlen Band gegen die Rippen, ging zum Tisch, ließ mich in den Sessel sinken und nahm den Hörer ab.
    Es war Walja Demtschenko. Ich hatte es völlig vergessen, aber wie ich nun wieder hörte, hatte Sonetschka am Samstag Geburtstag, und ich war eingeladen. Ich freute mich. Ich freute mich einerseits, weil Sonetschkas Geburtstag längst nicht jedes Jahr gefeiert wurde; feierten sie ihn aber, so bedeutete es, dass bei ihnen alles in Ordnung war, dass sie in Wohlstand lebten, alle gesund waren und Kapitänleutnant Demtschenko, salzigen Strudeln entronnen, einen heiteren Brief aus Murmansk geschickt hatte. Zweitens freute ich mich, weil längst nicht jeder zu Sonetschkas Geburtstagsfeiern eingeladen wurde.
    Wir schwatzten ein wenig. Ich fragte Walja, wie es mit seiner letzten Erzählung stehe, dem »Alten Dummkopf«. Walja erzählte, dass man sie – nach den vorangegangenen Unannehmlichkeiten – im Quartalsinspektor nicht einmal gelesen hatte, sondern vor ihr zurückgeschreckt war wie vor einem Aussätzigen. Im Gouvernementsboten allerdings hatten sie sie gelesen. Doch sie schwiegen sich aus und warteten auf die Rückkehr ihres Chefs.Der Chefredakteur war zurzeit in Schweden oder in der Schweiz, vielleicht auch in Schwambranien. Deshalb hatte bis jetzt kein Mensch vom Gouvernementsboten eine Meinung zu seiner Erzählung. Wenn aber der Chef zurück war und sie gelesen hatte, würde ihre Meinung sichtbar wie durch Zauberhand …
    Ich erkundigte mich, wie er denn um den Titel der Erzählung kämpfen wolle. Er antwortete, überhaupt nicht, denn sie heiße jetzt »Der alte Weise«, die Verführungsszene aber habe er dringelassen. Er werde doch nicht eigenhändig seine besten Stellen herausoperieren! Wozu das? Sollten sie es tun, sie würden schließlich dafür bezahlt. Und das nicht mal schlecht.
    Ich beruhigte ihn dahingehend, dass sie davor gewiss nicht zurückschreckten. Er widersprach nicht. Er kannte sich damit noch besser aus als ich. Dann fragte er, ob Lenja mich heute angerufen habe. Nicht? Nun, dann werde er noch anrufen. Er habe nämlich einen neuen Satz geschrieben und sei damit noch nicht ganz glücklich …
    Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, grübelte ich eine Weile: Was sollte ich Sonetschka schenken? Ich habe kein Talent zum Schenken, besonders wenn es um Frauen geht. Kognak? Nein, das passt nicht, obwohl Sonetschka guten Kognak mag. Parfüm? Da kennt sich doch keiner aus, bei diesen Parfüms. Vielleicht sollte ich ihr einfach einen Geschenkgutschein über fünfzig Rubel geben? Nein, das wäre irgendwie peinlich. Ein Buch schenke ich ihr, das ist es! Wenn ich nur irgendeinen Kunstband hätte … oder wenigstens Geld, so dreihundertfünfzig Rubel: Im »Planet« gibt’s »Washingtoner Galerien«, einfach umwerfend!
    Vielleicht kam ich in Verbindung mit Washington darauf, jedenfalls fiel mir plötzlich mein Dashiel Hammett ein. Schon lange, sehr lange hatte Sonetschka ein Auge darauf geworfen … Eine Auswahl seiner besten Texte, erlesen, würde ich sagen, so wie mein braunes Bulgakow-Bändchen. »Bluternte« ist darin enthalten, »Der Malteser Falke« und »Der gläserne Schlüssel«. Ich kenne das alles fast auswendig, und Sonetschka ist ein Mensch, der auf dieses Buch nicht weniger Recht hat als ich.
    Als ich meinen Entschluss gefasst hatte, stellte ich das Bulgakow-Bändchen an seinen Platz zurück, ging zu den

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