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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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dass mir Katjas Lieblingshaltung am besten bekam: die Knie auf dem Hocker, die Ellbogen auf dem Tisch, den Hintern in der Luft. In dieser Haltung begann ich nun zu leben: So trank ich Tee, las von der schweren Statuette eines Falken aus purem Gold, die Malteserritter einst als Geschenk für den König von Spanien hergestellt hatten, und um die nun eine blutige Gangsterjagd begann. Als ich an der Stelle war, wo der von fünf Kugeln durchlöcherte Kapitän der »La Paloma« in Sam Spades Kontor wankt, klingelte es an der Tür.
    Unwillig riss ich mich von Sam Spade los und ging ächzend und stöhnend öffnen. Inzwischen hatte ich die Noten des gefallenen Engels wie auch Goga Tschatschua völlig vergessen, deshalb erschütterte mich jetzt sein Anblick, umso mehr, als sein Gesicht …
    Nein, streng genommen war das kein Gesicht mehr. Ich sah eine mächtige hellblaue Nase, von tiefvioletten Äderchen durchzogen, und darunter einen üppigen Schnurrbart mit Scheitel, die bleichen Lippen zitterten, und die schwarzen, schwermütigen Augen blickten voller Tränen und Verzweiflung. Gogas behaarte Fäuste umkrampften die vermaledeiten, zu einer Röhre gerollten Noten und pressten sie gegen die Brust. Er schwieg, und eine düstere Vorahnung nahm mir fast den Atem; ich konnte kein Wort sagen, trat nur beiseite und gab ihm den Weg frei.
    Wie ein Blinder tappte er in die Diele, stieß gegen die Wand und wankte mit unsicheren Schritten ins Arbeitszimmer. Dort warf er die Noten mit beiden Händen auf den Tisch, als hätte ihn die Papierröhre verbrannt, fiel in einen Sessel und legte die Handflächen auf seine Augen.
    Meine Knie wurden weich, ich blieb in der Tür stehen und hielt mich am Pfosten fest. Er schwieg, und sein Schweigen kam mir unwahrscheinlich lang vor. Mehr noch, es schien nicht enden zu wollen, und in mir stieg die scheue Hoffnung auf, es ende tatsächlich nicht und ich würde niemals jenes Entsetzliche hören, das Tschatschua mir brachte. Aber er begann doch noch zu reden.
    »Hör mal …«, krächzte er, löste die Hände vom Gesicht und vergrub die Finger in die dichte Wolle hinter seinen Ohren. »›Spartak‹ hat schon wieder verloren! Was soll man da noch machen!«

8
    Banew | Die hässlichen Schwäne
    »Wie spät ist es?«, fragte Diana verschlafen.
    Viktor schabte mit dem Rasierer vorsichtig einen Streifen Seifenschaum vom linken Wangenknochen, blickte in den Spiegel und sagte: »Schlaf, Kleines, schlaf. Es ist noch früh.«
    »Du hast recht«, meinte Diana. Das Sofa knarrte. »Neun Uhr. Und was machst du da?«
    »Ich rasiere mich«, antwortete Viktor und schabte den nächsten Schaumstreifen ab. »Mir war plötzlich danach. Ich dachte: Kannst dich ja mal rasieren.«
    »Verrückt«, sagte Diana gähnend. »Gestern Abend hättest du dich rasieren sollen. Da hast du mich mit deinen Stacheln ganz zerkratzt, du Kaktus.«
    Im Spiegel sah er, wie sie zum Sessel tappte, sich mit hochgezogenen Beinen hineinkuschelte und ihn betrachtete. Viktor zwinkerte ihr zu. Wieder war sie anders – sanft und anschmiegsam, wohlig zusammengerollt wie eine satte, zufrieden schnurrende und gut gepflegte Katze –, anders als die, die gestern zu ihm ins Hotelzimmer gestürmt war.
    »Du bist heute wie ein Kätzchen«, gestand er. »Wie ein klitzekleines Schmusekätzchen. Was lachst du?«
    »Nicht über dich. Mir ist nur etwas eingefallen.«
    Sie gähnte und räkelte sich behaglich. In Viktors Pyjama versank sie wie in einer Welle. Aus dem Wust von Seide auf dem Sessel ragten nur ihr wunderschönes Gesicht und ihre zarten Arme. Viktor schabte schneller.
    »Nicht so hastig«, warnte sie. »Du schneidest dich noch. Ich muss sowieso gleich fahren.«
    »Darum beeile ich mich ja so«, erklärte Viktor.
    »Ach nein, das mag ich nicht. So was mögen nur Katzen. Was machen meine Sachen?«
    Viktor streckte die Hand aus und befühlte ihr Kleid und ihre Strümpfe, die über dem Heizungsgitter hingen. Alles war trocken.
    »Wohin musst du so dringend?«, fragte er.
    »Das hab ich dir doch schon gesagt. Zu Roßschäper.«
    »Ich kann mich gar nicht erinnern. Was ist denn mit Roßschäper?«
    »Er hat sich doch verletzt.«
    »Ach ja!«, fiel es Viktor wieder ein. »Ja, so was hast du erzählt. Er ist irgendwo runtergefallen? Hat er sich wenigstens ordentlich weh getan?«
    »Der alte Esel«, stöhnte Diana. »Wollte plötzlich nicht mehr leben und hat sich aus dem Fenster gestürzt. Wie ein Stier, mit dem Kopf voran, ist er hinausgesprungen und hat den

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