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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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polierten Tischplatte hinterlassen hatten. Es gab eine Menge solcher Kreise; man war nicht sehr pfleglich mit dem Tisch umgegangen, hatte nicht darauf geachtet, dass er aus Mahagoni war, brennende Zigaretten darauf abgelegt und nicht nur einmal den Füllhalter darüber ausgeschüttelt. Dann trat der junge Mann, diesmal ohne Aktentasche und Jackett, dafür in Hausschuhen und mit einer Zeitung in der einen Hand und einem vollen Glas in der anderen, wieder aus dem Schlafzimmer. Er setzte sich in seinen Sessel unter der Stehlampe, und gleich darauf kam auch der Hochgewachsene aus seinem Zimmer und setzte ein Tablett auf dem Tisch ab. Darauf standen eine angebrochene Flasche Scotch, ein Glas und ein quadratisches, mit dunkelblauem Saffian bezogenes Kästchen.
    »Erst die Formalitäten«, erklärte der Hochgewachsene. »Oder nein, warten Sie, erst ein zweites Glas.« Er sah sich um, nahm einen kleinen Glasbehälter für Bleistifte vom Schreibtisch, blickte hinein, pustete ihn aus und stellte ihn aufs Tablett. »Nun zu den Formalitäten«, wiederholte er.
    Er nahm Haltung an, legte die Hände an die Hosennaht und rollte mit den Augen. Der junge Mann legte die Zeitung weg, stand ebenfalls auf und starrte gelangweilt an die Wand. Da erhob sich auch Viktor.
    »Viktor Banew«, verkündete der Hochgewachsene in offiziellem Ton. »Mein Herr! Im Namen und auf ausdrückliche Anweisung des Herrn Präsidenten überreiche ich Ihnen hiermit das ›Silberne Kleeblatt Stufe zwei‹ in Anerkennung besonderer Verdienste für das Departement, das zu vertreten ich hier die Ehre habe!«
    Er öffnete das dunkelblaue Kästchen, entnahm ihm feierlich eine Medaille am weißen Moiréband und heftete sie Viktor an die Brust. Der junge Mann spendete höflich Beifall. Dann überreichte der Hochgewachsene Viktor die Urkunde und das Kästchen, drückte ihm die Hand, trat einen Schritt zurück, erfreute sich an dem Anblick und klatschte. Viktor, der sich wie ein Idiot vorkam, klatschte ebenfalls.
    »Das müssen wir begießen«, sagte der Hochgewachsene.
    Während sich alle setzten, goss er Whisky ein und erhob den Behälter für Bleistifte.
    »Auf den Träger des ›Kleeblatts‹!«, rief er.
    Erneut standen alle auf, lächelten einander zu, tranken und setzten sich. Der junge Mann mit der Brille verschwand wieder hinter seiner Zeitung.
    »Die Stufe drei haben Sie anscheinend schon«, stellte der Hochgewachsene fest. »Jetzt brauchen Sie nur noch Stufe eins, um ein vollwertiger Ritter des ›Kleeblatts‹ zu werden. Freie Fahrt und so weiter. Wofür haben Sie damals die Medaille erhalten?«
    »Ich weiß es nicht mehr«, gestand Viktor. »Irgendwas war da, wahrscheinlich hatte ich jemanden umgebracht. Ach ja, ich erinnere mich. Das war für den Brückenkopf von Kitschingan.«
    »Oh!«, rief der Hochgewachsene und schenkte noch einmal nach. »Im Krieg bin ich nicht gewesen. Ich war noch zu jung.«
    »Da hatten Sie Glück«, erwiderte Viktor. Sie tranken. »Unter uns gesagt, weiß ich gar nicht, wofür man mir das Ding verleiht?«
    »Ich sagte doch: in Anerkennung besonderer Verdienste.«
    »Doch nicht etwa für Summan?«, fragte Viktor mit einem traurigen Lächeln.
    »Nicht doch!«, meinte der Hochgewachsene. »Sie sind eine wichtige Persönlichkeit und gehören gewissen Kreisen an …« Er ließ unbestimmt den Finger an seinem Ohr kreisen.
    »Was für Kreisen?«, wollte Viktor wissen.
    »Wir wissen Bescheid!«, rief der Hochgewachsene verschmitzt. »Wir wissen alles! General Pferd, General Pukki, Oberst Bambarch … Sie sind ein angesehener Mann.«
    »Das höre ich zum ersten Mal«, meinte Viktor nervös.
    »Initiiert hat es der Oberst. Und natürlich hatte niemand etwas dagegen – das wäre ja auch noch schöner! Nun, und als General Pferd zum Rapport beim Präsidenten war, hat er ihm den Vorschlag unterbreitet.« Der Hochgewachsene lachte auf. »Und da war was los! Der Alte hat gebrüllt: ›Was für ein Banew? Etwa der Coupletschreiber? Kommt gar nicht infrage!‹ Der General aber hat ganz souverän gesagt: ›Es muss sein, Exzellenz!‹ Kurzum: Alles ging gut. Der Alte zerfloss vor Rührung; schön, sagte er, dann soll es vergeben und vergessen sein … Was meinte er denn damit?«
    »Ach«, sagte Viktor lustlos. »Ich habe mal mit ihm über Literatur gestritten.«
    »Schreiben Sie wirklich Bücher?«, erkundigte sich der Hoch gewachsene.
    »Ja. Genau wie Oberst Lawrence.«
    »Wird das denn anständig bezahlt?«
    »Comme çi, comme ça.«
    »Das muss

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