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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Generäle und Oberste, alle Nässlinge mit ihren zerfallenden Gesichtern, alle Sicherheitsdepartements, Präsidenten und auch Pavor Summan, dem sie die Arme nach hinten gedreht und die Fresse poliert haben … Satt hab ich alles, bis oben im Schlunde, selbst meine Lieder öden mich an … Eigentlich ödet mich alles an, aber »meine Lieder« ist gut, also lassen wir’s so … Läge ich doch wie ein U-Boot am Grunde, so dass mich keiner anpeilen kann … Am Grunde … und noch eine Runde … zu jeder Stunde noch Fusel im Munde … Im Lager geh’n wir ja doch vor die Hunde … Jawohl, genau so …
    Es klopfte schon seit einer ganzen Weile an die Tür, immer lauter und lauter, aber Viktor nahm es erst jetzt wahr, erschrak aber nicht, weil es nicht jenes Klopfen war, sondern das gewöhnliche, wohltuende Klopfen eines friedlichen Men schen, den es ärgert, dass man ihm nicht aufmacht. Viktor öffnete, und vor ihm stand Golem.
    »Amüsieren Sie sich gut?«, fragte er. »Pavor ist verhaftet worden.«
    »Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Viktor fröhlich. »Setzen Sie sich hin, hören Sie zu.«
    Golem setzte sich nicht, Viktor aber strich trotzdem über die Saiten und sang:
    »Satt hab ich alles, bis oben im Schlunde,
    selbst meine Lieder öden mich an.
    Läge ich doch wie ein U-Boot am Grunde,
    so dass mich keiner anpeilen kann.«
    »Weiter bin ich noch nicht«, rief er. »Dann kommt was mit Weibern und Schnaps … Und dann – hören Sie zu:
    Weiber und Schnaps – davon heilt keine Wunde,
    bleibt bloß der Kater, und drauf geht der Mann.
    Läge ich doch wie ein U-Boot am Grunde,
    nicht einmal Rufzeichen gäbe ich dann.
    Satt hab ich alles, den sinnlosen Plunder,
    Saufen und Spielen – ich find nichts mehr dran.
    Läge ich doch wie ein U-Boot am Grunde,
    so dass mich keiner anpeilen kann.
    Das war’s!«, rief er und warf das Banjo aufs Bett. Er fühlte sich so erleichtert, als hätte sich etwas verändert, als würde er dort, wo er für alle sichtbar über der Brustwehr hing, plötzlich dringend gebraucht. Er nahm die Handflächen von den Augen und betrachtete das graue, schmutzige Feld, den rostigen Stacheldraht, die grauen Säcke, die einmal Menschen gewesen waren, das fade, ehrlose Treiben, das sie einmal Leben genannt hatten, und schon schoben sich von allen Seiten Menschen über die Brustwehr, die sich ebenfalls umsahen, nahm der eine oder andere den Finger vom Abzug …
    »Ich beneide Sie«, sagte Golem. »Aber wird es nicht Zeit, sich an den Artikel zu setzen?«
    »Ich denke nicht daran«, entgegnete Viktor. »Sie kennen mich nicht, Golem, mir ist jetzt alles egal. Aber setzen Sie sich doch, zum Teufel! Ich bin betrunken, und Sie sollen’s auch sein! Legen Sie den Regenmantel ab … Ablegen, habe ich gesagt!«, schrie er. »Setzen Sie sich hin! Hier ist ein Glas, trinken Sie! Sie verstehen überhaupt nichts, Golem, auch wenn Sie ein Prophet sind. Aber das erlaube ich Ihnen nicht. Nicht durchzublicken ist mein Vorrecht. In dieser Welt wissen alle viel zu gut, wie es sein soll, wie es ist und wie es sein wird, und Leute, die nicht durchblicken, sind rar. Was glauben Sie, worin mein Wert besteht? Nur darin, dass ich nichts verstehe. Man malt mir alle möglichen Perspektiven aus, ich aber sage: Nein, ich blicke nicht durch. Man kommt mir mit den simpelsten Theorien, ich aber sage: Nein, ich verstehe das nicht. Darum brauchen sie mich. Möchten Sie Erdbeeren? Ach, die hab ich ja schon aufgegessen. Also rauchen wir …«
    Er stand auf und lief im Zimmer umher. Golem sah ihm, mit dem Glas in der Hand, nach, ohne den Kopf zu wenden.
    »Es ist erstaunlich paradox, Golem. Es hat mal eine Zeit gegeben, wo ich mich auskannte. Ich war sechzehn, Ritter der Legion und begriff alles, aber keiner brauchte mich! Bei einer Prügelei schlugen sie mir den Schädel ein, ich lag einen Monat im Krankenhaus, und alles ging weiter wie immer – die Legion focht ihre Siege ohne mich aus, der Herr Präsident stieg unerbittlich zum Herrn Präsidenten auf – alles ohne mich. Alle kamen prächtig ohne mich aus. Im Krieg wiederholte sich das. Ich tat meinen Dienst als Offizier, heimste Orden ein und wusste Bescheid. Man durchschoss mir die Brust, ich landete im Lazarett – aber glauben Sie, jemand hätte sich Sorgen um mich gemacht, hätte gefragt: Wo ist Banew, wo ist denn unser Banew, unser tapferer Banew, der Mann, der Bescheid weiß? Nicht die Bohne! Aber als ich aufhörte durchzublicken, tja, da änderte sich alles. Alle Zeitungen

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