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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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nahmen plötzlich von mir Notiz. Ein Haufen von Departements interessierte sich für mich. Der Herr Präsident gab sich persönlich die Ehre. Wie finden Sie das? Können Sie sich vorstellen, wie selten das ist – ein Mensch, der keine Ahnung hat! Man kennt ihn, Generäle und Oberste nehmen ihn in Schutz, die Nässlinge brauchen ihn dringend, man schätzt ihn als Persönlichkeit – ein Albtraum! Und warum? Weil er von nichts weiß, Herrschaften.« Viktor setzte sich. »Bin ich sehr betrunken?«, fragte er.
    »Ziemlich«, antwortete Golem. »Aber das ist egal, reden Sie ruhig weiter.«
    Viktor zuckte ratlos die Schultern.
    »Das war’s schon«, bemerkte er schuldbewusst. »Ich habe mich verausgabt. Soll ich Ihnen was vorsingen?«
    »Singen Sie«, stimmte Golem zu.
    Viktor ergriff das Banjo und stimmte ein Lied an. Er sang »Wir sind tapfere Jungs«, »Menschen aus Uran«, »Von dem Hirten, dem ein Stier ein Auge ausstach und der deshalb die Staatsgrenze verletzte«, »Satt hab ich alles«, »Die gleichgültige Stadt«, das »Lied von der Wahrheit und der Lüge«, dann noch einmal »Satt hab ich alles«, und zum Schluss stimmte er die Nationalhymne nach der Melodie von »Ach, was für schöne Beine« an, brachte den Text aber nicht mehr zusammen, verwechselte die Strophen und legte das Banjo weg.
    »Ich habe mich schon wieder verausgabt«, erklärte er trau rig. »Pavor wurde verhaftet, sagen Sie? Aber das weiß ich doch. Er saß gerade hier bei mir, da, wo Sie jetzt sitzen. Wissen Sie, was er mir kurz vorher noch klarmachen wollte? Dass die Nässlinge in zehn Jahren die Erdkugel erobern und uns alle ausrotten werden. Halten Sie das für möglich?«
    »Kaum«, erwiderte Golem. »Warum sollten sie uns ausrotten? Wir rotten uns doch schon gegenseitig aus.«
    »Und die Nässlinge?«
    »Vielleicht werden sie uns daran hindern, dass wir uns gegenseitig ausrotten. Schwer zu sagen.«
    »Aber vielleicht helfen sie uns auch dabei?«, kicherte Viktor betrunken. »Denn wir schaffen ja nicht einmal das. Seit zehntausend Jahren versuchen wir’s schon und haben uns immer noch nicht ausgerottet. Hören Sie, Golem, warum haben Sie mir vorgemacht, dass Sie sie behandeln? Die sind ja gar nicht krank, die sind so gesund wie Sie und ich, nur eben ein bisschen gelb …«
    »Hm«, brummte Golem. »Woher wissen Sie das? Das ist mir neu.«
    »Lassen Sie’s gut sein, mir können Sie nichts mehr vormachen. Ich habe mit Susr… mit Su… mit Sursmansor gesprochen. Er hat mir alles erzählt: das von dem geheimen Institut, dass sie sich mit Binden umwickeln, damit … Wissen Sie, Golem, diese Leute bilden sich ein, mit General Pferd nach ihrem Gutdünken umspringen zu können. Dabei sind sie in Wirklichkeit bloß Kalifen für eine Stunde. Wenn er Hunger kriegt, verschlingt er sie mit Binden und Handschuhen … Verdammt, bin ich betrunken, vor meinen Augen dreht sich alles …« Aber das war übertrieben. In Wirklichkeit sah er das dicke, aschgraue Gesicht und die kleinen, ungewöhnlich wachen Augen deutlich vor sich.
    »Und Sursmansor hat Ihnen gesagt, dass er gesund ist?«
    »Ja«, antwortete Viktor. »Übrigens, so genau weiß ich das nicht mehr … Wahrscheinlich hat er’s nicht gesagt. Aber man sieht es doch.«
    Golem kratzte sich mit dem Rand seines Glases am Kinn.
    »Schade, dass Sie so betrunken sind«, meinte er. »Aber vielleicht ist es auch gut so. Ich bin heute in Stimmung. Wenn Sie wollen, erzähle ich Ihnen alles, was ich über die Nässlinge denke und was ich mir über sie zusammenreime.«
    »Schießen Sie los«, bat Viktor. »Aber ohne Schwindel.«
    »Die Brillenkrankheit ist ein interessantes Phänomen. Wis sen Sie, wer von ihr befallen wird?« Er verstummte. »Nein, ich werde Ihnen lieber nichts erzählen.«
    »Jetzt reicht’s aber«, beschwerte sich Viktor. »Wozu haben Sie dann erst davon angefangen?«
    »Ja, das war dumm von mir«, meinte Golem. Er sah Viktor an und grinste. »Stellen Sie mir Fragen«, schlug er vor. »Wenn’s dumme Fragen sind, werde ich sie gern beantworten. Machen Sie schon, ehe ich’s mir anders überlege.«
    In diesem Augenblick klopfte es an der Tür.
    »Scheren Sie sich zum Teufel!«, krächzte Viktor. »Ich bin beschäftigt!«
    »Verzeihung, Herr Banew«, ließ sich die schüchterne Stimme des Portiers vernehmen. »Ihre Gattin möchte Sie sprechen.«
    »Schwindel! Ich habe überhaupt keine Gattin. Übrigens, pardon. Ich habe es ganz vergessen. Na schön, ich rufe gleich an, danke.« Er ergriff

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