Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
Vom Netzwerk:
spielen.«
    »Ach, das meinen Sie«, sagte Pavor nachdenklich. Sein Ge sicht wurde zusehends länger. »Hören Sie, Viktor, ich werde Ihnen alles erklären. Es war ein dummer Zufall. Ich wusste ja nicht, dass Sie es sind. Und dann … Sie sagen ja selbst, manchmal gibt es Umstände …«
    »Herr Summan«, begann Viktor und leckte den Löffel ab. »Vertreter Ihres Berufszweigs konnte ich noch nie ausste hen. Einen habe ich sogar mal erschossen – er war sehr mutig, wenn es darum ging, den Offizieren im Stab mangelnde Loyalität vorzuwerfen, als man ihn aber an die vorderste Linie schickte … Mit einem Wort, scheren Sie sich raus.«
    Pavor aber scherte sich nicht raus. Er steckte sich eine Zigarette an, schlug ein Bein über das andere und lehnte sich im Sessel zurück. Klarer Fall: Er ist kräftig, kann wahrscheinlich Karate und besitzt einen Schlagring. Jetzt wäre ein Wutanfall passend … Tatsächlich, was verdirbt er mir auch den Appetit …
    »Wie ich sehe, wissen Sie eine ganze Menge«, stellte Pavor fest. »Das ist schlecht. Ich meine: für Sie. Aber gut. Was Sie nicht wissen, ist, dass ich Sie aufrichtig schätze und mag. Nun ziehen Sie nicht so ein Gesicht, tun Sie nicht so, als ob Ihnen übel wird. Ich meine es ernst. Ich bin gern bereit, Sie wegen des Zwischenfalls mit dem Schlagring um Verzeihung zu bitten. Ich gebe sogar zu, dass ich wusste, wen ich vor mir hatte, aber mir blieb keine Wahl. Ein Zeuge lag schon in der Ecke auf dem Boden, und jetzt kamen auch noch Sie dazwischen. Die einzige Möglichkeit war, nicht allzu heftig zuzuschlagen, was ich auch tat. Ich bitte Sie also aufrichtig um Entschuldigung.«
    Pavor machte eine aristokratische Armbewegung. Viktor betrachtete ihn neugierig. Die Situation hatte etwas Erfrischendes, nie Dagewesenes und irgendwie schwer Vorstellbares.
    »Aber dafür, dass ich Mitarbeiter eines gewissen Departements bin«, fuhr er fort, »kann ich mich nicht entschuldigen, und ich will es auch gar nicht. Glauben Sie bitte nicht, dass unsere Leute durchweg Feinde allen freien Denkens und miese Karrieristen sind. Ja, ich arbeite in der Spionageabwehr. Und ja, meine Arbeit ist schmutzig. Aber Arbeit ist immer schmutzig, saubere Arbeit gibt es überhaupt nicht. Sie breiten sich in Ihren Romanen über Ihr Unterbewusstes aus, Ihre berüchtigte Libido – mein Job ist ein anderer … Einzelheiten kann ich Ihnen nicht erzählen, aber Sie ahnen sicher, was ich tue. Ja, ich beobachte das Leprosorium, ich hasse diese nassen Kreaturen, ich habe Angst vor ihnen – Angst nicht nur um meinetwillen, sondern um alle Menschen, die auch nur ein bisschen was taugen. Um Sie zum Beispiel. Sie sind ja völlig ahnungslos. Als freier Künstler und Gefühlsmensch oh und ah rufen, das ist alles, was Sie können. Dabei geht es hier um das Schicksal des Systems. Wenn Sie so wollen, um das Schicksal der Menschheit. Da schimpfen Sie den Herrn Präsidenten einen Diktator, einen Tyrannen, einen Dummkopf … Und dabei droht uns eine Diktatur, wie sie sich freie Künstler wie Sie nicht einmal in ihren schlimmsten Träumen vorstellen können. Im Restaurant habe ich neulich eine Menge Unsinn von mir gegeben, aber ein Körnchen Wahrheit steckt doch darin: Der Mensch ist ein anarchistisches Wesen und wird von der Anarchie verschlungen, wenn das System nicht hart genug durchgreift. Ihre liebenswerten Nässlinge aber lassen ein so hartes Durchgreifen erwarten, dass für normale Menschen kein Platz mehr bleibt. Sie aber, Viktor, verstehen das nicht. Sie meinen, nur weil einer Sursmansor oder Hegel zitiert, sei er wer weiß was! Er aber sieht in Ihnen nur ein Stück Dreck. Sie tun ihm nicht leid, Viktor, weil Sie sowohl für Hegel als auch für Sursmansor ein Stück Dreck wären – und zwar per definitionem. Was sich nicht in ihre Vorstellung einfügt, ist uninteressant. Der Herr Präsident in seiner angeborenen Beschränktheit blafft Sie vielleicht mal an oder lässt Sie, wenn es hochkommt, einsperren. Zum nächsten Feiertag aber begnadigt er Sie im Überschwang der Gefühle und lädt Sie obendrein zum Essen ein. Ein Sursmansor dagegen betrachtet Sie durch eine Lupe, klassifiziert Sie als Hundedreck – zu nichts zu gebrauchen –, schmeißt Sie, gedankenverloren und vor lauter Verstand und Philosophie mit einem schmutzigen Lappen in den Mülleimer und vergisst, dass es Sie jemals gegeben hat.«
    Viktor hörte auf zu essen. Ihm bot sich ein äußerst merkwürdiger Anblick: Pavor regte sich auf, seine Lippen bebten,

Weitere Kostenlose Bücher