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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Waage … Also, schieß los!«
    Ich kratzte mich hinter dem Ohr.
    »Saturn … Was kommst du mir mit Saturn? Sag mir lieber, wie der Vektor Magistatum ist.«
    »Also, Bruderherz«, sagte Roman. »Das musst du schon selbst herausfinden.«
    Ich kratzte mich hinter dem anderen Ohr, versuchte den »Vektor Magistatum« im Kopf zu berechnen und brachte stotternd eine akustische Einflussnahme hervor (d. h. ich sprach eine Zauberformel). Roman hielt sich die Nase zu. Ich riss mir zwei Haare aus der Braue (was entsetzlich schmerzhaft und dumm war) und polarisierte den Vektor. Es stank immer mehr.
    »Schlecht«, sagte Roman vorwurfsvoll. »Was machst du bloß, du Zauberlehrling? Siehst du nicht, dass das Oberfenster offen ist?«
    »Ach so«, begriff ich. Ich berechnete Divergenz und Rotation, versuchte die Stokes’sche Gleichung im Kopf zu lösen, verfranste mich, riss mir, durch den Mund atmend, noch zwei Haare aus, schnupperte, murmelte die Auers’sche Beschwörungsformel und war drauf und dran, mir noch ein Haar aus der Braue zu reißen, als ich entdeckte, dass sich das Vorzimmer schon auf natürlichem Wege gelüftet hatte. Roman riet mir, meine Brauen zu schonen und die Fensterklappe zu schließen.
    »Das war sehr mittelmäßig«, bemerkte er. »Kommen wir nun zur Materialisierung.«
    Die Materialisierung beschäftigte uns eine ganze Weile. Ich zauberte Birnen, und Roman bestand darauf, dass ich sie aufaß. Als ich das strikt ablehnte, zwang er mich, neue zu zaubern. »Du wirst arbeiten, bis etwas Essbares dabei herauskommt«, befahl er. »Diese hier kannst du Modest Matwejewitsch geben. Warum sonst heißt er Steinbeißer?« Endlich gelang mir eine richtige Birne – groß, gelb, butterweich und gallebitter. Ich aß sie auf, und Roman gönnte mir eine Verschnaufpause.
    In dem Moment brachte Magnus Fjodorowitsch Redkin, seines Zeichens Bakkalaureus der schwarzen Magie, seinen Schlüssel vorbei. Redkin war ein dicker, stets besorgt und tief beleidigt dreinschauender Mann, der sich den Bakkalaureus vor dreihundert Jahren mit der Erfindung der Tarnhose verdient hatte. Seitdem war er damit beschäftigt, die Hose zu vervollkommnen. Zunächst machte er aus der Tarnhose eine Tarnkniehose, dann ein Tarnbeinkleid, und in jüngster Zeit war nur noch von Tarnröhren die Rede. Er kam und kam einfach nicht weiter. Im letzten Seminar für schwarze Magie, wo er, wie schon so oft, einen Vortrag über »Einige neue Eigenschaften der Redkin’schen Tarnröhren« hielt, traf ihn zudem ein Missgeschick. Als er sein modernisiertes Modell vorführen wollte, klemmte etwas, und statt den Erfinder unsichtbar zu machen, wurde die Hose mit einem lauten Klicken unsichtbar. Eine peinliche Situation. Hauptsächlich aber schrieb Redkin an einer Dissertation zum Thema »Die Materialisie rung und lineare Naturalisierung der Weißen These als eines Arguments der ziemlich willkürlichen Funktion Sigma ( ∑ ) des nicht recht vorstellbaren menschlichen Glücks«.
    Hier war er zu bedeutenden und wichtigen Ergebnissen gelangt, aus denen hervorging, dass die Menschheit buchstäb lich in einem nicht recht vorstellbaren Glück baden würde – wenn es nur gelänge, die Weiße These zu entdecken und zu ergründen, worum es sich dabei handelte und wo man nach ihr suchen sollte.
    Eine Erwähnung fand die Weiße These lediglich in den Tagebüchern des Rabbi Loew. Dieser hatte die Weiße These angeblich als Nebenprodukt einer alchimistischen Reaktion erhalten und sie, da ihm die Zeit fehlte, sich mit Nebensächlichkeiten zu befassen, als zusätzliches Element in eines seiner Geräte eingebaut. In einer seiner letzten, bereits im Kerker verfassten Denkschriften teilte Rabbi Loew mit: »Und können Sie sich das vorstellen? Sie hatte meine Hoffnungen enttäuscht, und als mir endlich aufging, wozu sie gut sein könnte – ich spreche vom Glück aller Menschen, die es gibt –, war mir längst entfallen, in welches Gerät ich sie eingebaut hatte.« Das Institut besaß sieben Geräte aus dem Nachlass des Rabbi Loew. Sechs von ihnen hatte Redkin schon bis aufs letzte Schräubchen auseinandergenommen und nichts Besonderes entdeckt. Das siebte Gerät war nun das Translations-Kanapee. Über das aber hielt Vitka Kornejew die Hand, und Redkins einfältiges Herz wurde misstrauisch. Er spionierte Kornejew nach, was diesen zur Weißglut brachte; sie verkrachten sich und waren seitdem erbitterte Feinde. Mir als einem Vertreter der exakten Wissenschaften brachte Redkin Wohlwollen

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