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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Merlin«, erklärte ich.
    »Schmeißen Sie ihn raus!«
    »Mit Vergnügen«, sagte ich. (Merlin, der zweifellos gelauscht hatte, lief rot an, knurrte: »Grobian!«, und löste sich in Luft auf.)
    »Ob Ihnen das Vergnügen bereitet oder nicht, ist mir egal. Aber mir ist zugetragen worden, dass Sie die Ihnen anvertrauten Schlüssel einfach auf den Tisch werfen, statt sie im Schubfach einzuschließen.«
    Das war Wybegallo, dachte ich.
    »Warum sagen Sie nichts?«
    »Wird erledigt.«
    »Unter diesem Akzept«, befahl Modest Matwejewitsch. »Es ist größte Wachsamkeit geboten. Verstanden?«
    »Verstanden.«
    Modest Matwejewitsch ergänzte noch: »Das wär’s«, und legte auf.
    »Na schön«, sagte Roman und knöpfte seinen grünen Man tel zu. »Dann werde ich jetzt ein paar Büchsen aufmachen und die Flaschen entkorken. Bis nachher, Sascha, ich komme dann noch mal vorbei.«

2
    Ich ging weiter, stieg in dunkle Gänge hinab und dann in die oberen Stockwerke hinauf. Ich war allein. Ich rief, niemand antwortete mir. Ich war allein; es gab niemanden dort in diesem Haus, das weitläufig und winklig war wie ein Labyrinth.
    Guy de Maupassant
    Mit sämtlichen Schlüsseln in der Jackentasche trat ich meinen ersten Rundgang an. Ich nahm die Haupttreppe, die wir, soweit ich zurückdenken konnte, nur ein einziges Mal benutzt hatten: zu Ehren eines afrikanischen Fürsten, als er unser Institut besuchte. Ich stieg in das verwinkelte Vestibül hinab, in dem die architektonischen Schnörkel vieler Jahrhunderte vereint waren, und warf einen Blick in die Pförtnerloge. Dort sah ich im phosphoreszierenden Nebel zwei maxwellsche Makrodämonen in abgetragenen Livreen. Sie waren in das stochastischste aller Spiele vertieft: Schrift oder Zahl. Auf diese Weise verbrachten die riesigen, trägen und unbeschreiblich plumpen Geschöpfe ihre gesamte Freizeit. Maxwellsche Dämonen erinnern einen stets an eine Kolonie von Poliomyelitisviren unter dem Elektronenmikroskop; ihr Leben lang tun sie nichts anderes als Türen zu öffnen und zu schließen. Die zwei in der Pförtnerloge waren erfahren und gut dressiert, wobei der eine, der für den Ausgang zuständig war, schon das Rentenalter erreicht hatte (welches dem Alter einer Galaxis gleichkam). Von Zeit zu Zeit fiel er in einen kindischen Zustand, in dem er allerlei Unsinn verzapfte, und dann musste jemand von der Abteilung für Technische Wartung in einen Schutzanzug schlüpfen, in die mit komprimiertem Argon gefüllte Pförtnerloge steigen und den Alten wieder zur Vernunft bringen.
    Der Instruktion folgend, besprach ich die beiden, trennte die Informationskanäle und schloss mich an Ein- und Ausgang an. Die Dämonen reagierten nicht, sie hatten anderes zu tun. Wenn der eine gewann, verlor der andere, und das beunruhigte sie, weil es das statistische Gleichgewicht störte. Ich schob die Klappe vor das Fenster der Loge und drehte eine Runde durchs Vestibül. Dort war es feucht und schumm rig, und meine Schritte hallten dumpf wider. Das Institutsgebäude hatte schon ein gewisses Alter erreicht, und am ältesten war wohl das Vestibül. In den schimmeligen Winkeln schimmerten die Knochen angeschmiedeter Skelette; hier und da hörte man ein gleichmäßiges Tropfen; in den Nischen zwischen den Säulen spreizten sich in rostigen Rüstungen steckende Statuen in unnatürlichen Posen, und an der Wand neben dem Eingang türmten sich die Bruchstücke alter Götzen, und obenauf lagen bestiefelte Beine aus Gips. Von den nachgedunkelten Gemälden, die unter der Decke hingen, blickten strenge, ehrwürdige Greise auf mich herab, deren Gesichter die Züge Fjodor Simeonowitschs, Gian Giacomos und anderer Meister trugen. Man hätte den alten Plunder längst hinauswerfen, Fensteröffnungen in die Mauern stemmen und Leuchtstoffröhren anbringen müssen, aber es war alles registriert und inventarisiert und wurde von Modest Matwejewitsch persönlich zusammengehalten.
    Sowohl auf den Kapitellen der Säulen als auch inmitten des riesigen Kronleuchters, der an der geschwärzten Decke hing, raschelten Fledermäuse und Flughunde. Gegen sie führte Modest Matwejewitsch einen verbissenen Kampf. Er begoss sie mit Terpentin und Kreosot, bestäubte sie mit Desinfektionsmitteln und besprühte sie mit Hexachloran. Sie starben zu Tausenden und tauchten zu Zehntausenden wieder auf. Zudem mutierten sie, bildeten singende und sprechende Stämme; die Nachkommen der ältesten Gattungen ernährten sich in jüngster Zeit ausschließlich von

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