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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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meinen Assistentinnen. Dann erblickte ich in der Schlange der Wartenden den bleichen, verstörten Buchhalter der Fischfabrik. Ihm war es bei uns im Institut nicht ganz geheuer, und so kam er sofort an die Reihe.
    »Das ist mir aber unangenehm«, murmelte er und sah sich besorgt nach den Doubles um. »Die Kollegen dort waren schon vor mir da.«
    »Macht nichts, das sind keine Kollegen«, beruhigte ich ihn.
    »Aber doch Menschen …«
    »Auch keine Menschen.«
    Der Buchhalter wurde kreidebleich, neigte sich zu mir und flüsterte mit stockender Stimme: »Und ich wundere mich schon die ganze Zeit – die blinzeln ja nicht einmal … Und der Mann im blauen Anzug scheint überhaupt nicht zu atmen …«
    Die Hälfte der Wartenden hatte ich schon abgefertigt, als Roman anrief.
    »Sascha?«
    »Ja.«
    »Der Papagei ist weg.«
    »Was heißt weg?«
    »Na weg.«
    »Hat ihn die Putzfrau weggeräumt?«
    »Die hab ich schon gefragt. Sie hat überhaupt keinen Papagei gesehen.«
    »Vielleicht ein dummer Streich der Hausgeister?«
    »Im Labor des Direktors? Kaum.«
    »Tja«, sagte ich. »Vielleicht Janus selbst?«
    »Janus ist nicht da. Ich glaube, er ist noch gar nicht aus Moskau zurück.«
    »Was soll das nur bedeuten?«, überlegte ich.
    »Ich weiß nicht. Wir müssen abwarten.«
    Wir schwiegen eine Weile.
    »Rufst du mich an?«, bat ich. »Wenn sich was Interessantes …«
    »Natürlich. Unbedingt. Mach’s gut, alter Junge.«
    Ich zwang mich, nicht mehr an den Papagei zu denken, der mich ja letzten Endes gar nichts anging. Ich fertigte alle Doubles ab, kontrollierte die Programme und widmete mich dann einer unangenehmen Aufgabe, mit der ich mich schon längere Zeit herumschlug. Die Aufgabe kam von den Kollegen aus der Abteilung für Absolutes Wissen. Gleich zu Anfang hatte ich ihnen mitgeteilt, dass sie wie die meisten ihrer Aufgaben keinen Sinn und keine Lösung habe. Dennoch hatte ich mir bei Cristóbal Junta Rat geholt, der sich in solchen Dingen besser auskannte, und er gab mir ein paar Tipps, die mir weiterhalfen. Schon oft hatte ich mich an dieser Aufgabe versucht, sie aber unverrichteter Dinge immer wieder beiseitegelegt. Heute klappte es endlich, und ich gelangte zu einer eleganten Lösung. Kaum war ich damit fertig und lehnte mich zufrieden zurück, um noch einmal alles zu überdenken, kam wutschnaubend Cristóbal Junta hereingestürmt. Er sah mir nicht in die Augen, sondern auf die Füße und erkundigte sich mit trockener, unangenehmer Stimme, seit wann ich seine Schrift nicht mehr lesen könne? Das erinnere ihn doch stark an Sabotage. 1936, in Madrid, hätte er mich dafür an die Wand stellen lassen.
    Ich betrachtete ihn ergriffen und sagte: »Cristóbal Joséwitsch, ich habe die Aufgabe endlich gelöst. Sie hatten recht. Der Raum der Beschwörungen lässt sich tatsächlich in jeder der vier Variablen krümmen.«
    Endlich hob er den Blick und sah mich an. Ich muss sehr glücklich ausgesehen haben, denn sein Zorn verrauchte im Nu. Er brummte: »Lassen Sie mal sehen.«
    Ich reichte ihm die Bogen, er setzte sich neben mich, und wir gingen die Aufgabe noch einmal gemeinsam durch. Die beiden eleganten Umwandlungen waren erhebend – auf die eine hatte er mich gebracht, während ich auf die andere von selbst gekommen war.
    »Tja, Köpfchen muss man haben, nicht wahr, Sascha?«, meinte Cristóbal Junta schließlich. »Wir beide besitzen ein geradezu artistisches Denkvermögen. Finden Sie nicht auch?«
    »Ich finde uns großartig«, pflichtete ich ihm aufrichtig bei.
    »Ganz meine Meinung«, sagte er. »Wir werden das veröffentlichen. Das hier kann sich sehen lassen. Das ist schon was anderes als Trampergaloschen und Tarnhosen.«
    Wir erfreuten uns bester Laune und machten uns sogleich an Cristóbal Juntas neue Aufgabe. Es dauerte nicht lange, bis er sagte, er habe sich früher manches Mal für einen Pobrecito gehalten, und dass ich ein mathematischer Blindgänger sei, habe er schon bei unserer ersten Begegnung gewusst. Ich stimmte ihm lebhaft zu und schlug vor, er solle sich pensionieren lassen, und mich solle man aus dem Institut jagen und zum Verladen von Baumstämmen schicken, weil ich zu nichts anderem tauge. Da widersprach er. Von Pensionierung könne überhaupt keine Rede sein, er sei ja höchstens noch als Düngemittel zu gebrauchen. Mich sollte man aber tunlichst von allen Baumstämmen fernhalten, weil dafür immerhin eine gewisse Intelligenz erforderlich sei; stattdessen solle man mich zum Schöpfmeister des für die

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