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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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Cholerabaracken zuständigen Fäkalienwagens in die Lehre geben. So saßen wir, den Kopf in die Hände gestützt, da und zerfleischten uns gegenseitig, als Fjodor Simeonowitsch zu uns hereinschaute. Soviel ich verstand, wollte er unbedingt meine Meinung über das von ihm erstellte Programm erfahren.
    »Programm!«, zischte Cristóbal Junta mit hämischem Grin sen. »Ich hab dein Programm nicht gesehen, Fjodor, aber ich bin überzeugt, dass es im Vergleich zu diesem hier genial ist.« Angewidert reichte er Fjodor Simeonowitsch mit zwei Fingern das Blatt mit seiner Aufgabe. »Hier hast du ein Paradebeispiel für Murks und Stümperei.«
    »Aber m-meine Lieben«, meinte Fjodor Simeonowitsch betreten, nachdem er sich in Juntas Handschrift zurechtgefunden hatte. »Das ist ja d-das Problem des Rabbi Loew. Cagliostro hat doch n-nachgewiesen, dass es d-dafür keine Lösung gibt.«
    »Dass es dafür keine Lösung gibt, wissen wir«, sagte Junta und zeigte sofort seine Krallen. »Wir wollen aber herausfinden, wie man es lösen kann.«
    »Das ist d-doch unlogisch, Cristo … Wie k-kann man nach einer Lösung suchen, d-die es nicht gibt? So ein Unfug!«
    »Entschuldige, Theodor, aber was du da sagst, ist unlogisch. Unfug wäre es, nach einer Lösung zu suchen, die es schon gibt. Hier handelt es sich darum, wie man mit einer Aufgabe verfährt, für die es keine Lösung gibt. Das ist eine prinzipielle Frage, für die du als Vertreter der angewandten Wissenschaften, wie ich sehe, leider kein Verständnis hast. Es hat also gar keinen Sinn, mit dir über dieses Thema zu reden.«
    Cristóbal Juntas Ton war ausgesprochen beleidigend, und Fjodor Simeonowitsch wurde wütend.
    »Weißt du was, m-mein Lieber«, sagte er. »Ich k-kann in Gegenwart dieses jungen Mannes n-nicht in diesem Ton mit dir diskutieren. Ich m-muss mich doch sehr w-wundern. So was ist u-unpädagogisch. Wenn du das Gespräch f-fortsetzen willst, d-dann sei so gut und k-komm mit hinaus in den Korridor.«
    »Meinetwegen«, erwiderte Junta, schnellte hoch wie eine Sprungfeder und griff krampfhaft nach dem nicht vorhandenen Degengriff an seiner Hüfte.
    Hocherhobenen Hauptes und ohne einander eines Blickes zu würdigen stolzierten die beiden hinaus. Die Mädchen kicherten, und auch ich machte mir keine Sorgen. Ich stützte den Kopf auf die Hände, beugte mich über das von Junta zurückgelassene Blatt und hörte mit halbem Ohr aus dem Korridor Fjodor Simeonowitschs dröhnende, immer wieder von Cristóbal Juntas trockenen, zornigen Ausrufen unterbrochene Stimme. Schließlich brüllte Fjodor Simeonowitsch: »Folgen Sie mir b-bitte in mein Kabinett!«
    »Wie Sie wünschen!«, erwiderte Cristóbal Junta mit knirschenden Zähnen. Nun siezten sie einander bereits. Die Stimmen entfernten sich. »Ein Duell! Ein Duell!«, schnatterten die Mädchen. Cristóbal Junta stand im Ruf eines Klopffechters und Raufbolds. Wie man sich erzählte, pflegte er einen Widersacher in sein Labor zu führen, ihn zwischen Florett, Degen und Hellebarde wählen zu lassen, um dann à la Jean Marais über die Tische zu springen und die Schränke umzuwerfen. Um Fjodor Simeonowitsch brauchte man sich jedoch keine Sorgen zu machen. Es war klar, dass sie sich in seinem Arbeitszimmer eine halbe Stunde lang finster anschweigen würden, bis Fjodor Simeonowitsch einen schweren Seufzer ausstieß, seinen Weinkeller öffnete und zwei Gläser mit dem Elixier der Seligkeit füllte. Cristóbal Junta würde mit bebenden Nasenflügeln schnuppern, sich den Schnurrbart zwirbeln und sein Glas leeren. Fjodor Simeonowitsch würde sofort nachschenken und ins Labor hinüberrufen: »Bringt mal ein paar frische Gürkchen!«
    In diesem Augenblick rief Roman an und bat mich mit seltsamer Stimme, sofort zu ihm zu kommen. Ich lief die Treppe hinauf.
    Im Labor erblickte ich Roman, Vitka und Edik – und einen grünen, quicklebendigen Papagei. Er saß genau wie gestern auf dem Balken der Waage und beäugte alle der Reihe nach, erst von der einen Seite, dann von der anderen, putzte sich und fühlte sich offenbar sehr wohl – im Gegensatz zu den drei Wissenschaftlern. Roman stand bedrückt vor dem Papagei und seufzte von Zeit zu Zeit krampfhaft. Edik massierte sich, blass und gequält, die Schläfen, als leide er unter Migräne. Vitka saß rittlings auf einem Stuhl, wippte wie ein kleiner Junge auf seinem Schaukelpferd und murmelte mit fieberhaft aufgerissenen Augen etwas vor sich hin.
    »Ist es derselbe?«, fragte ich

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