Gesammelte Werke
bewegliche Dinge zogen in endloser Folge an mir vorüber. Als ich aus diesem Zustand erwachte, mochte die Sonne nach meinem Ermessen etwa seit vier Stunden aufgegangen sein. Es kostete mich viel Mühe, die verschiedenen Umstände, die mit meiner Lage verknüpft waren, ins Gedächtnis zurückzurufen, und ich blieb eine Zeitlang der festen Meinung, dass ich mich noch im Kielraum der Brigg befände und dass mein Nachbar Parker der Hund Tiger sei.
Als ich endlich vollkommen in den Besitz meiner Sinne kam, fand ich, dass der Wind nur mehr als gemäßigte Brise wehte und die See viel ruhiger geworden war; nur mittschiffs spülte sie noch übers Deck hin. Mein linker Arm war von den Fesseln losgekommen und hatte mehrere Verletzungen am Ellbogen erlitten; mein rechter war eingeschlafen, Hand und Gelenke waren geschwollen vom Druck des Seils, das sich mir um die Schulter geschlungen hatte. Ein anderes Tau, das meine Hüften umfasste, hatte sich so fest zusammengezogen, dass ich große Schmerzen litt. Ich sah mich nach meinen Gefährten um; Peters lebte noch, obwohl eine dicke Leine so gewaltsam um seinen Körper gewickelt war, dass seine Gestalt wie in zwei Hälften zerschnitten schien. Als ich mich rührte, machte er eine matte Bewegung und deutete nach dem Strick. Augustus gab kein Lebenszeichen und lag unter den Splittern des Gangspills nahezu krummgebogen. Parker sprach zu mir und fragte, ob ich nicht Kraft genug besäße, ihn aus seiner Lage zu befreien; wenn ich mich dazu aufraffen könnte, ihn loszubinden, dann wäre noch Rettung möglich, sonst müssten wir alle zugrunde gehen. Ich bat ihn, Mut zu schöpfen, ich würde versuchen, ihn zu befreien. In meiner Hosentasche fand ich mein Messer, und nach mehreren vergeblichen Versuchen klappte ich es endlich auf. Dann gelang es mir, mit meiner Rechten die Linke loszubinden, und nachher schnitt ich die übrigen Taue durch, die mich noch hielten. Als ich aber versuchte, mich vom Fleck zu bewegen, ließen mich meine Füße völlig im Stich; ich konnte nicht aufstehen, konnte auch meine rechte Hand nicht weiter rühren. Ich sagte dies Parker; er riet mir, ein paar Minuten still zu liegen, indem ich mich mit der Linken am Gangspill festhalten sollte. So begann das Blut bald wieder zu kreisen, die Betäubung wich; ich konnte erst ein Bein bewegen, dann das andere; bald darauf erhielt ich den Gebrauch des rechten Armes zurück. Ich kroch nun vorsichtig auf Parker zu, und bald hatte ich alle seine Fesseln durchschnitten; binnen kurzem erhielt auch er teilweise den Gebrauch seiner Glieder. Jetzt eilten wir, Peters von seiner Leine zu befreien. Sie hatte den Gürtel seiner wollenen Beinkleider samt zwei Hemden durchgerieben und die Weichen verwundet, die nach Entfernung des Strickes reichlich zu bluten begannen. Doch schien er sofort erleichtert, sprach ein paar Worte und bewegte sich viel weniger mühsam als Parker und ich; das hing offenbar mit dem Abfließen des Blutes zusammen.
Wir wagten kaum zu hoffen, dass Augustus sich erholen würde, da er gar kein Lebenszeichen gab; doch als wir ihn erreicht hatten, sahen wir, dass er nur infolge des Blutverlustes ohnmächtig war, weil das Wasser den Verband von seinem wunden Arme heruntergerissen hatte; die Taue, die ihn hielten, waren nicht eng genug angezogen, um seinen Tod zu verursachen. Wir banden ihn los, räumten die Trümmer des Gangspills fort und brachten ihn an eine trockene Stelle auf der Luvseite, legten den Kopf etwas tiefer als den Körper und rieben ihm emsig die Glieder. Nach einer halben Stunde ungefähr kam er zu sich, obgleich er erst am nächsten Morgen in der Lage war, uns zu erkennen und Sprechversuche zu machen. Als wir alle vier der Bande ledig waren, brach schon tiefe Nacht herein, und Wolken zogen am Himmel auf, so dass wir in tödlichster Angst einem neuen Sturm entgegensahen, vor dem uns keine Macht der Welt hätte retten können, erschöpft, wie wir jetzt waren. Zum Glück blieb das Wetter über Nacht ziemlich gut; die See beruhigte sich immer mehr und mehr, so dass wir aufs Neue zu hoffen begannen. Eine sanfte Brise wehte noch aus Nordwest, aber die Luft war nicht zu kalt. Augustus wurde auf der Luvseite behutsam angeschnallt, so dass er nicht beim Schlingern der Brigg über Bord fallen konnte; denn er war noch zu schwach, um sich irgendwie festzuklammern. Für uns bestand keine solche Notwendigkeit. Wir saßen dicht beisammen, unterstützten einander mit Hilfe der zerrissenen Taue am Gangspill und berieten
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