Gesammelte Werke
missverstanden zu haben.
»Viele« ist offenbar (wie das oft geschieht) missverstanden, und was der Übersetzer mit »sorgen« wiedergibt, heißt wahrscheinlich »leiden«, was in seiner wahren Bedeutung dem ganzen Bericht ein völlig anderes Gepräge geben würde; aber natürlich sind das zum großen Teil nur Mutmaßungen von mir.
Wie dem auch sei, Kempelen ist seinem äußeren Gebaren nach keineswegs »ein Misanthrop«. Meine Beziehungen zu ihm waren rein zufällig und ermächtigen mich kaum zu der Behauptung, ihn zu kennen; aber einen Mann von so hervorragender Bedeutung, wie er sie erlangt hat oder in wenigen Tagen erlangen wird, gesehen und gesprochen zu haben, ist keine so uninteressante Sache.
Die »Literarische Welt« (vermutlich irregeführt durch den Artikel in der »Heim-Zeitung«) behauptet, er sei aus Pressburg gebürtig, ich bin aber in der Lage, positiv festzustellen – ich habe es aus seinem eigenen Mund –, dass er in Utica, im Staate New York, geboren ist, obgleich seine Eltern beide, wie ich glaube, aus Pressburg stammen. Die Familie ist weitläufig verwandt mit Mälzel, bekannt durch den automatischen Schachspieler * . Seine äußere Erscheinung ist klein und dick, mit großen, ausdruckslosen blauen Augen, rötlichem Haar- und Backenbart, einem großen, doch wohlgeformten Mund, guten Zähnen und einer Adlernase. Sein einer Fuß war missgestaltet. Sein Wesen ist offen, und seine ganze Art als gutmütig bekannt. Alles zusammengenommen: Er ist in seinem Tun und Reden nichts weniger als »ein Misanthrop«. Wir lernten uns vor sechs Jahren kennen, als wir beide eine Woche lang das gleiche Hotel auf »Rhode-Island« bewohnten, und ich glaube, dass ich verschiedentlich mit ihm ins Gespräch kam und etwa im Ganzen drei bis vier Stunden mit ihm sprach. Sein Thema waren die jeweiligen Tagesereignisse, und keine seiner Äußerungen ließ mich seine wissenschaftlichen Kenntnisse vermuten. Er verließ das Hotel früher als ich; er beabsichtigte, nach New York und von da aus nach Bremen zu reisen; in der letzten Stadt war es, wo seine Entdeckung zum ersten Mal veröffentlicht wurde – oder vielmehr, dort wurde die erste Vermutung laut, dass er der Entdecker sei. Dies ist so ziemlich alles, was ich persönlich von dem nun unsterblichen Kempelen weiß; aber ich dachte, selbst diese wenigen Einzelheiten könnten für die Allgemeinheit von Interesse sein.
Es steht ganz außer Frage, dass die meisten wundersamen Gerüchte, die über diese Sache umlaufen, bare Erfindungen sind, die ebenso viel Glauben verdienen wie etwa die Erzählungen von Aladdin und der Wunderlampe; und doch ist in solchem Fall, wie auch bei der Entdeckung Kaliforniens als Goldland, die Wahrheit oft wundersamer als die Dichtung. Die folgende Anekdote jedenfalls ist so gut verbürgt, dass wir sie unbedenklich hinnehmen können.
Von Kempelen hatte sich während seines Aufenthalts in Bremen in keineswegs sehr günstigen Verhältnissen befunden, und es war bekannt, dass er häufig zu wahren Winkelzügen Zuflucht nehmen musste, um selbst geringe Summen aufzutreiben. Als die Falschmünzerei im Hause Gutsmuth & Co. aufgedeckt wurde, lenkte sich der Verdacht gegen Kempelen, weil er eine größere Besitzung in der Gasperitchstraße gekauft und auf Befragen die Auskunft darüber verweigert hatte, woher die Kaufsumme stammte. Er wurde schließlich arretiert, weil jedoch nichts Bestimmtes gegen ihn vorgebracht werden konnte, zuletzt wieder in Freiheit gesetzt. Die Polizei behielt aber auf all sein Tun und Lassen ein scharfes Auge und entdeckte so, dass er oft ausging und immer denselben Weg einschlug; doch gelang es ihm stets, in der Nähe jenes Labyrinths von Gassen und Durchgängen, das den Spitznamen »Dondergat« führt, seinen Verfolgern zu entwischen. Ihre Ausdauer erreichte es aber endlich doch, seine Spur bis auf den Bodenraum eines alten siebenstöckigen Hauses in einer Allee mit Namen Flätplatz zu verfolgen und ihn, wie sie meinten, mitten in seinem Falschmünzer-Handwerk zu überraschen. Seine Aufregung soll so groß gewesen sein, dass die Beamten von seiner Schuld ganz überzeugt waren. Sie legten ihm daher Handfesseln an und durchsuchten das Zimmer, denn allem Anschein nach bewohnte er die gesamten Mansardenräume.
Anstoßend an die Bodenkammer, in der sie ihn fingen, befand sich ein Gelass von zehn zu acht Fuß und in ihm ein chemischer Apparat, dessen Zweck noch nicht ermittelt werden konnte. In einer Ecke des Raums stand ein kleiner
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