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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Gesicht zu spüren, ließ sie erschaudern. So ging sie unentschlossen einige Schritte auf und ab, überlegte, ob sie besser auf dem Boden nächtigen sollte, fand zwischen den groben Brettern jedoch so viel Ungeziefer, dass sie davor zurückschreckte. Das einzige Fenster der Kammer war winzig klein und mit einem Laden verschlossen, daher öffnete sie die Tür, denn der Raum kam ihr plötzlich so klein und stickig vor.
    Ihre Laterne warf nur einen schwachen gelblichen Schein in den dunklen Hof. Das Licht reichte nicht einmal aus, um die Reisekutsche ausfindig zu machen. Einer der beiden Hunde lag direkt vor Marians Füßen und blinzelte sie misstrauisch an, der andere schien umherzulaufen, denn sie hörte sein aufgeregtes Schnüffeln. Nebelschwaden bewegten sich im Licht, drehten sich wie Zigarrenrauch und tanzten vorüber. Sie konnte das Geflüster der Nebelweiber hören, dazwischen auch andere Stimmen, tiefere männliche. Mit wem vergnügten die Nebelinnen sich?
    Marian warf noch einen Blick in die Richtung, in der sich die Scheune befand, doch von dem strohgedeckten Steinbau, in dem ihre drei Begleiter die Nacht verbrachten, war bei dieser Beleuchtung nichts zu erkennen.
    Eigentlich seltsam, dachte sie. Sagte er nicht, dass er ein Schmied sei? Wieso gibt es keine Werkstatt und kein Schmiedefeuer, das über Nacht weiterglimmt, um am Morgen wieder angeblasen zu werden? So halten es doch die Schmiede normalerweise. Aber vielleicht hat er ja wenig zu tun, er scheint hier auch recht einsam zu wohnen.
    Sie widerstand der Versuchung, mit der Lampe in der Hand in die Scheune hinüberzugehen, um bei den freundlichen Lichtelben zu übernachten. Nach allem, was Sereno ihren Gastgebern über sie erzählt hatte, wäre ihnen dieses Verhalten doch recht sonderbar vorgekommen. So entschloss sie sich schweren Herzens, in die muffige Kammer zurückzukehren, und bereitete sich dort ein Nachtlager auf zwei hölzernen Stühlen. Den Eichenzweig, den George ihr gegeben hatte, legte sie über ihre Knie. Lange konnte sie wegen der unbequemen Körperstellung und Serenos Schnarchkonzert nicht einschlafen, dann aber – es musste schon weit nach Mitternacht sein – nahm ein dumpfer Schlummer von ihr Besitz. Seltsam bizarre Träume bemächtigten sich ihrer. Sie sah Jonathan Mills auf dem Dach des Pensionats sitzen, einen Korb voller grüner Zweige vor sich, die er einen nach dem anderen in den Garten hinunterwarf. Eine Frau im hellen Kleid stand unten auf der Wiese und fing die Zweige auf, um sie in den Boden zu stecken. War das Mrs. Potter? Aber nein, jetzt quoll unter dem breiten Strohhut gleißend helles Haar hervor, und als die Frau sich umwandte, erkannte Marian ihre Mutter. Jung war sie und schön wie eine Elbin, sie lächelte Marian verschmitzt zu, wie sie es so oft getan hatte, und wies auf die Zweige, die allesamt zu hohen Bäumen wuchsen. Marian wollte ihrer Mutter entgegenlaufen, sich wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, in ihre Arme werfen. Doch ihre Füße gehorchten ihr nicht, und während sie noch in das zarte junge Gesicht ihrer Mutter blickte, veränderten sich deren Züge. Die Augen wurden schmäler, der Mund kleiner und voller, und als der Wind ihr das Haar aus dem Gesicht blies, sah man, dass ihre Ohren schmal und spitz waren.
    Böse funkelte die Elbin sie an, streckte den Arm aus und deutete mit dem Finger auf Marian, die plötzlich spürte, wie das Amulett, das sie um den Hals trug, zitterte und glühte. Dann wehten dunkle Nebel von allen Seiten herbei, verhüllten die Gestalt der Elbin, und Marian sah die Villa des Professors. Mrs. Crincle hatte direkt vor dem Eingangsvorbau einen großen Haufen Gartenabfälle angezündet und stocherte mit der Harke eifrig darin herum. Drinnen im Saal saß Sereno hustend hinter seinem Flügel und versuchte, die dunklen Rauchschwaden mit der Hand abzuwehren.
    »Zum Teufel mit diesem Schmied … Will er uns vielleicht ausräuchern?«
    Erschrocken fuhr Marian aus dem Schlaf und wäre fast von ihrem improvisierten Lager gefallen. Sereno war aufgestanden und hatte die Tür zum Hof aufgerissen. Er hustete und schimpfte aus vollem Halse, was jedoch den schwarzen Rauch nicht daran hinderte, in die Kammer einzudringen.
    »Guten Morgen«, krähte die Stimme des Schmieds. »Die Nacht ist vorbei, das Tagwerk beginnt!«
    Die Worte kamen aus einem niedrigen Steingebäude, dessen Tür weit geöffnet war, sodass man das brennende Schmiedefeuer sehen konnte. Einen Amboss konnte

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