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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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erklärte sich einverstanden, sie für eine Nacht in seinem Haus zu beherbergen, die Kutsche könnte im Hof stehen bleiben, für die Pferde gäbe es einen Stall und genügend Heu. Die drei Lichtelben, die Sereno als Magd, Diener und Kutscher bezeichnete, sollten mitsamt dem Gepäck in der Scheune bleiben.
    »Ich bin Ryan, der Schmied«, stellte er sich Marian mit der Andeutung einer Verbeugung vor, jedoch ohne seine schmutzige Lederkappe vom Kopf zu nehmen. »Es ist mir eine Ehre, eine so hübsche, junge Braut in meinem Haus zu beherbergen! Wir sind keine reichen Leute, daher geht es einfach zu, aber ich werde meine Frau anweisen, Ihnen ein gutes Abendessen und ein bequemes Bett zu richten.«
    Marian zwang sich zu einem freundlichen Lächeln und ein paar netten Worten. Der Mann gefiel ihr nicht, und auch die drei Lichtelben schienen wenig Sympathie für ihn zu hegen. Es hatte nichts damit zu tun, dass dieser Mensch mit einer hässlichen dunkelroten Wucherung an der Nase geschlagen war. Er hatte etwas Boshaftes an sich, auch seine Geldgier sprach nicht für ihn. Sereno musste einen erheblichen Preis für diese Übernachtung zahlen – und das im Voraus, sonst hätte der fleißige Schmied ihnen nicht das Hofgatter geöffnet.
    »Es ist etwas im Gange, Herrin«, flüsterte der rothaarige George Marian zu, als er ihre Reisetasche ins Haus trug. »Nehmt Euch in Acht, und legt diesen Zweig auf Euer Lager. Wir werden froh sein, wenn wir morgen das Gebirge erreichen. Dort sollen Eichenwälder stehen, sagte man mir.«
    »Wer sagte das? Gesira und Latar?«
    Er lächelte. Nein, eine Bachnymphe hätte es ihm heute Früh verraten. Es wären keine gewöhnlichen Eichen, sondern elbische Bäume, die ihresgleichen Zuflucht und Schutz gewährten.
    Er verbeugte sich tief vor ihr, als er wieder hinausging, um mit den anderen beiden Elben in der kalten Scheune zu übernachten.
    In der Kammer, die der Schmied ihnen zugewiesen hatte, war es allerdings kaum wärmer. Zwar brannte wohl drüben in der verräucherten Küche ein Feuer, der Rauch zog jedoch durch den Schlot davon, und die Flammen besaßen zu wenig Kraft, um auch die Nebenkammer zu heizen. Das angekündigte bequeme Bett bestand aus einem wackeligen Holzgestell, auf dem zwei platt gelegene Strohsäcke, ein mottenzerfressenes Kuhfell und zwei Wolldecken lagen. Auch die gute Mahlzeit, die ihnen eine hagere verängstigte Frau mit verhuschten Bewegungen servierte, hätte Marian unter anderen Umständen nicht angerührt. Jetzt aber, da sie den ganzen Tag über nichts gegessen hatte, zwang sie sich, wenigstens einige der weich gekochten Karotten und eine halbe Zwiebel aus der Haferpampe zu fischen, während sie das fette Fleisch gern Sereno überließ.
    »Was für ein widerlicher Fraß!«, schimpfte er. »Aber morgen schon wird alles anders aussehen. Wir haben es fast geschafft, Marian! Oder sollte ich besser ›Königin der Elben‹ zu dir sagen?«
    Er machte die Andeutung einer großen Reverenz, und das Grinsen, mit dem er sein Possenstück begleitete, gefiel Marian wenig. Es war klar, dass ihm das Reich der Lichtelben im Grunde vollkommen egal war. Der Grund, weshalb er all diese Strapazen und Gefahren auf sich nahm, war die Quelle des ewigen Lebens. Er hatte ihr erzählt, dass ein Sänger stets zwei Tode stürbe. Der erste träte ein, wenn die Stimme den gewohnten Klang einbüßte, der zweite wäre der Tod des restlichen Körpers. Doch für ihn bedeutete der Verlust seiner Stimme den eigentlichen Tod, denn ohne dieses Organ wäre sein Dasein bar jeglichen Inhalts.
    Einstweilen schien Sereno jedoch noch recht gut bei Stimme zu sein. Nach der widerlichen Mahlzeit legte er sich auf das Bett, breitete eine der beiden Decken über sich aus, und nur wenige Minuten später ließ er kräftige Schnarchtöne hören. Die flache Kiste mit den Pistolen hatte er griffbereit neben sich stehen, Marian bezweifelte allerdings, dass er aus diesen hübsch verzierten Dingern jemals einen Schuss abgefeuert hatte. Und selbst wenn er damit umgehen konnte – Pulver und Blei taugten höchstens dazu, menschliche Wesen oder wilde Tiere zu verscheuchen, die Wesen der Geisterwelt würden nur darüber lachen.
    Marian zögerte, die Lampe zu löschen und ebenfalls zu Bett zu gehen, schon deshalb, weil es ihr unangenehm war, an Serenos Seite zu liegen. Er hatte zwar bisher niemals Anstalten gemacht, sie zu berühren, aber allein der Gedanke, in der Nacht zufällig an ihn zu stoßen oder am Morgen seinen Atem in ihrem

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