Gesang der Daemmerung
Marian nicht entdecken, nur ein paar verrostete Zangen hingen an den Wänden, und auf dem Boden neben der Feuerstelle lagen verschiedene Werkzeuge herum, die allesamt nicht so aussahen, als wären sie während der letzten Monate benutzt worden. Der Rauch war so dicht, dass man den Schmied, der sich im Hintergrund der Werkstatt aufhielt, nur undeutlich erkennen konnte.
Das Frühstück bestand aus einer dünnen lauwarmen Hafersuppe und rußgeschwärzten Brotfladen, die bitter schmeckten. Sereno kochte vor Wut, beschimpfte den Schmied und seine Frau als habsüchtige Geizknochen und elende Betrüger, was außer den kläffenden Hunden niemand zur Kenntnis nahm. Der Aufbruch der Reisegruppe glich einer Flucht, sie mussten sich sogar selbst das Gatter öffnen, und für einen Moment schien es fast, als wollten die beiden Hunde die Fremdlinge vom Hof vertreiben. Während die Kutsche auf den schlammigen Wegen mühsam voranrollte, vernahmen sie hinter sich noch eine ganze Weile das feindselige Gebell.
Der Morgen war kühl, ein scharfer Wind wehte von Norden her und trieb schwere Regenwolken über das Land. Wie zerschlissene Fetzen eines dunklen Tuchs eilten sie über den Himmel, und wenn sich die Sonne zeigte, sah man ihre düsteren Wolkenschatten über die Ebene jagen.
»Wir müssen uns beeilen, Herrin«, sagte Gesira leise zu Marian, als sie später an einem Bachlauf anhielten, um sich notdürftig zu waschen und die Pferde trinken zu lassen.
»Wegen der Wolkenschatten?«, fragte Marian besorgt.
»Ja, Herrin. Sie waren mit dem Schmied im Bund. Er und sein Weib haben über Nacht all unsere magischen Eichenzweige gestohlen und das Schmiedefeuer damit geheizt.«
Marian tröstete Gesira und erklärte ihr, dass man schon am Nachmittag die schützenden Berge erreichen würde. Tatsächlich hatte sie an die Wirkung der abgeschnittenen Zweige nie so recht geglaubt, aber die Vorstellung, dass die Schmiedefrau in der Nacht zu ihr geschlichen war, um den Zweig von ihrem Schoß zu nehmen, gefiel ihr überhaupt nicht.
Kapitel 25
»Du hast sie gehen lassen?!«
»Was sollte ich sonst tun? Er hat ihr die Geschichte von der Quelle des ewigen Lebens erzählt und noch allerlei Dinge, die sie bisher nicht wusste. Sie war nicht zu halten.«
Aladion war bleich geworden, und Darion fiel zum ersten Mal auf, wie tief die Falten um seine Augen lagen. Der Abtrünnige mochte so alt wie Gorian sein, vielleicht auch noch älter.
»Willst du mir erzählen, du wärest nicht imstande, eine Lichtelbin aufzuhalten?! Bist du ein Krieger oder ein verfluchter, jämmerlicher Hasenfuß?!«
Darion stieß laut die Luft aus. Hatte er es nötig, sich Vorhaltungen machen zu lassen? Ausgerechnet von Aladion, der die vergangenen Tage und Nächte weit entfernt von Maygarden in den Armen seiner zärtlichen Nymphe verbracht hatte?
»Ich bin keiner, der einem Mädchen Gewalt antut!«
Der Abtrünnige brach in Gelächter aus, wofür Darion ihn gern geprügelt hätte. Als Aladion das bemerkte, hörte er auf zu lachen, und blickte dem jungen Mann fest in die Augen.
»Verletzte Eitelkeit, nicht wahr? Sie hat sich für Professor Sereno entschieden, und da war der junge Freund gekränkt. Dabei hast du dir das alles selbst eingebrockt, Darion. Hättest du ihr von Anfang an die Wahrheit erzählt …«
Darion hielt dagegen. Hätte Aladion ihm gleich zu Anfang reinen Wein eingeschenkt, statt immer nur vage Andeutungen zu machen – vieles wäre anders gekommen.
»Hätte, könnte, sollte!«, äffte Aladion ihn nach. »Jeder von uns könnte jetzt lange Erklärungen abgeben und schlaue Argumente vorbringen. Inzwischen ist Sereno schon unterwegs, um das Spiel zu gewinnen.«
»Es wird ihm nicht gelingen«, sagte Darion verächtlich.
»Er hat das Elbenbuch gelesen und kennt den Ort, wo sich die Quelle befand.«
»Aber wie hat er Marian gefunden?«
»Er wird von den schützenden Eichenwäldern auf Maygarden gelesen haben«, überlegte Aladion. »Die Frage ist nur, was der Herr der Nachtschatten jetzt unternehmen wird.«
Gorian hatte seine Boten seit Wochen über Maygarden ausgeschickt, die Abreise von Sereno und Marian würde ihnen auf keinen Fall entgangen sein.
»Das kann ich dir genau sagen.«
Darion hatte seit Marians Abreise keineswegs beleidigt die Hände in den Schoß gelegt. Jede Nacht war er unterwegs gewesen, um die Reisekutsche zu beobachten. Er wusste, dass sie sich langsam, aber stetig in nördliche Richtung bewegte und inzwischen die Grenze zu Schottland
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