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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Vermächtnis an sie einfach vernichtet!
    Zum wiederholten Male sagte Marian sich, dass es sinnlos wäre, sich über Darion den Kopf zu zerbrechen. Er war ein charmanter Verführer und ein unwiderstehlicher Liebhaber, sie hatte sich in seiner Gegenwart bisher keine Sekunde gelangweilt. Aber er war ein Wesen, dem man nicht trauen konnte. Ein Nachtschatten. Niemals konnte es eine Verbindung zwischen einer Elbin und einem Nachtschatten geben, das hatte Sereno ihr bestätigt – und auch die Lichtelben. Aladion, den sie fast für ihren Freund und Beschützer gehalten hätte, war der Mörder ihrer geliebten Mutter. Und auch Darion hatte viele Lichtelben ums Leben gebracht – wie hatte sie das außer Acht lassen können? Der Zauber der Liebe hatte ihre Sinne vernebelt und sie blind gemacht.
    Gegen Abend hörte der Nieselregen auf, dafür senkten sich graue Nebel über die Landschaft und machten es trotz der Lampen fast unmöglich, die Zäune und Mäuerchen rechts und links des Weges zu erkennen. Sereno fluchte über das verdammte schottische Wetter und auf die Schotten überhaupt, die seit Jahrhunderten widerspenstige kulturlose Gesellen wären und außer Torf und Haferbrei nichts in ihren hohlen Köpfen hätten.
    Marian ließ ihn schimpfen. Er war nur ein Mensch und wusste es nicht besser. Sie selbst und auch die drei Lichtelben jedoch konnten die Nebelgeister sehen, die in dem grauen Dunst umherglitten, sich über die verdreckten Reisenden lustig machten und Serenos Flüche mit boshaften Kommentaren beantworteten.
    »Er mag keinen Haferbrei, der zornige Engländer. Sollten wir ihm einen Topf davon übergießen, wenn er schläft?«
    »Er scheint auch keinen Regen zu mögen, der Engländer. Sollten wir ihm einen Hagelschauer bescheren, wenn er aus der Kutsche steigt?«
    »Wollt ihr euch etwa mit dem hässlichen Alten abgeben? Lasst uns lieber nach den anderen schauen! Sie sind jung und stark und brauchen gewiss ein wenig Ablenkung nach dem eiligen Flug …«
    »Ablenkung und heitere Spiele …«
    »Heitere Spiele und zärtliche Hände …«
    »Zärtliche Hände und dampfende Feuchtigkeit …«
    Man hörte ihr albernes Kichern von allen Seiten, und Marian hätte sie gern gefragt, welche eiligen Flieger sie denn ablenken und zärtlich befingern wollten, doch sie ließ es besser bleiben. Diesen Nebelweibern war nicht zu trauen, sie schienen so sanft und durchscheinend und konnten doch ordentlich fest zupacken, wenn sie Lust dazu verspürten. Hatte nicht selbst Darion damals Mühe gehabt, sie aus den Händen dieser tückischen Geister zu befreien? Darion! Wieso führte jeder zweite Gedanke sie zu ihm zurück? Ach, es war schwer, ihn zu vergessen!
    Sie waren schon fast entschlossen, die Nacht in der Kutsche zu verbringen, wie sie es bereits einmal getan hatten, da tauchte links des Weges eine graue unregelmäßig gesetzte Mauer auf, dann ein breites Gatter aus Holz, das einen Hofeingang versperrte. Zwei braune zottige Hunde erschienen knurrend am Gatter, zeigten die Zähne und begannen, feindselig zu kläffen. Gleich darauf erschien eine Gestalt im Hof.
    »Wer da?«
    Die Stimme klang rau, und Marian hörte heraus, dass der Rufende ein gutes Quantum schottischen Whiskey gegen die feuchte Abendkühle und den Nebel zu sich genommen hatte. Sereno stieg aus der Kutsche und versuchte, sich gegen das doppelte Hundegekläff verständlich zu machen, was ihm nur deshalb halbwegs gelang, weil ihm ein beachtliches Stimmvolumen zur Verfügung stand.
    »Still!«, befahl der Mann den Hunden, und beide Tiere gehorchten augenblicklich. Als er sich jetzt dem Gatter näherte, um die Reisenden genauer zu betrachten, sah man, dass er eine breite Lederschürze über der Kleidung trug, wie sie die Schmiede gebrauchten. Er schien auf jeden Fall ein Handwerk zu betreiben.
    Sereno erzählte ihm die gleiche ausgedachte Geschichte, die er auch den übrigen Gastwirten und Bauern aufgetischt hatte, bei denen sie ein Nachtlager erhielten. Er wäre mit seiner Tochter auf der Reise in die Highlands, um sie ihrem Bräutigam zuzuführen. Dessen Name wäre Brian MacDonald, und er lebte ziemlich weit im Nordwesten, wollte ihnen aber entgegenkommen. Bei Inverness würde man sich treffen und gemeinsam zum Wohnsitz der Brautleute reisen. Er redete mit opernhaften Gesten und sonorer Stimme. Marian hegte jedoch ihre Zweifel, ob die Gastgeber ihm Glauben schenkten. Bisher hatte allerdings niemand dumme Fragen gestellt, und so verhielt es sich auch hier. Der Hofbesitzer

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