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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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worden.
    »Nicht jetzt, ihr Schönen! Sagt mir, ob ihr heute Nacht eine Kutsche gesehen habt!«
    Er hatte gerade noch Zeit, sich vor den spitzen Zähnen einer lüsternen Windischen in Sicherheit zu bringen, und parierte ihren Versuch mit einem ordentlichen Klaps.
    »Eine … Kutsche sollten wir gesehen haben?«
    »Ganz recht. Eine Kutsche, die von einem Geschwader Nachtschatten durch die Luft getragen wurde. Ist sie euch etwa entgangen?«
    Ein Heulen war zu hören, die Laute, die darauf folgten, klangen wie höhnisches Gelächter oder entferntes Hundegebell. Darion begriff, dass die Damen keine guten Erinnerungen mit diesem Gefährt verbanden.
    »Nachtschatten haben sie getragen – ein großes schweres Ding. Geschossen hat es, die Kugel schlug gegen den Fels, fast hätte sie einen schlafenden Albatros getroffen …«
    »Saß in der Kutsche ein Mädchen?«
    »Hört euch das an! Er fragt nach dem Mädchen. Dem Mädchen in der Kutsche, die von den Nachtschatten getragen wurde …«
    »Nun kommt schon, schöne Damen! Wohin haben sie die Kutsche getragen? Oder wollt ihr es mir nicht sagen, weil ihr eifersüchtig auf das Mädchen seid?«
    Das Hundegebell ähnelte jetzt dem Gekicher einer Nebelfrau. Letztlich waren Windbräute und Nebelfrauen nahe Verwandte, wenn man das ihnen gegenüber auch nicht erwähnen durfte, denn sie verachteten einander. Sie besaßen allerdings eine Gemeinsamkeit, die nicht zu unterschätzen war: Sie unterwarfen sich niemandem.
    »Eifersüchtig?«
    »Für wie dumm hältst du uns, Darion? Glaubst du, wir wissen nicht, wer sie ist?«
    »Denkst du, wir kennen Marian nicht? Die neue Königin der Lichtelben?«
    »Aber sag, was du mit ihr zu schaffen hast, Nachtschatten?«
    Die Krallenhand griff wieder nach ihm, auf der anderen Seite versuchte eine Windbraut, ihn um ihren luftigen Körper zu wickeln, um den Nebelstreif wie eine flatternde Fahne hinter sich her zu zerren.
    »Was ich mit ihr zu schaffen habe?«, rief er hastig und schüttelte die aufdringliche Person ab. »Wollt ihr die Wahrheit hören, zierliche Bräute?«
    »Was sonst?«
    »Sperrt die Ohren auf!«
    »Ach, er lügt ja doch …«
    »Vielleicht auch nicht …«
    »Also, rede endlich, bevor wir dich einatmen und als Wolkendunst über das Meer schicken!«
    Er hatte noch nie zuvor den Versuch gemacht, ernsthaft mit ihnen zu sprechen. Vielleicht war das ein Fehler gewesen, denn es sollte Fälle gegeben haben, in denen diese Windbräute sich freundschaftlich und sogar hilfreich benommen hatten. Natürlich nur aus einer Laune heraus, wie das bei Naturgeistern üblich war. Aber vermutlich hatte er es längst mit ihnen verdorben …
    »Ich liebe Marian, die Elbenkönigin.«
    Eine kurze Weile war es still. Eine fast unheimliche Ruhe, die mitten in das Sausen und Tosen der Winde hereingebrochen war. Darion hörte tief unter sich das Meer rauschen, leise und gleichmäßig, aus großer Entfernung.
    »Er hat die Wahrheit gesagt.«
    »Er könnte ihr helfen.«
    »Du musst wissen, Darion, dass wir Freunde der Lichtelben sind.«
    »Deshalb haben wir auch ihr Buch aufbewahrt, das dir damals ins Meer fiel.«
    »Ein Elbenbuch, Darion. Kostbar und unersetzlich.«
    »Wir haben es den Meerweibern abgerungen und mit unserem sanftesten Odem getrocknet.«
    Was logen diese Weiber ihm da vor? Jetzt bereute er seinen ersten und einzigen Versuch, es mit Ehrlichkeit zu probieren. Zumindest bei den Windbräuten war damit kein Blumentopf zu gewinnen.
    »Oh, ich vergaß, dass ihr große Leserinnen seid!«, spottete er. »Habt ihr den nassen Folianten eurer weltberühmten Bibliothek einverleibt, die zwischen den vier Winden über dem Meer hängt?«
    Jetzt wurde seine Lage wirklich unangenehm, denn die beleidigten Windbräute fielen mit Krallen und Zähnen über ihn her, und er musste in einem eiligen Sturzflug flüchten. Fast wäre er dabei ins Meer gefallen, konnte sich jedoch gerade noch rechtzeitig abfangen. Nach dem nächtlichen Kampf und dem stundenlangen Flug gegen den Nordwind war er nicht ganz auf der Höhe.
    »Du hast es wirklich nicht verdient, dass wir dir helfen, spöttischer Schatten!«
    »Wir tun es auch nicht für dich, sondern für die Lichtelben.«
    »Damit sie die Nachtschatten in ihre Schranken verweisen.«
    »Damit Gorian sein wohlverdientes Ende findet.«
    Darion gab die Flucht auf, verlangsamte seinen Flug und ließ sich wieder in die Wolken hinauftreiben. War am Ende doch etwas Wahres an diesem Gerede dran? Oder wollten sie ihn einfach nur verwirren,

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