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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Königin, hatte einst an dieser Stelle gestanden, und wie eine Königin hatte sie gehandelt.
    »Willst du so viel Glück wirklich wegwerfen? Hast du das Recht dazu? Denkst du nicht an deine Untertanen, Marian, Königin der Lichtelben?«
    Sie begriff nicht. Worauf wollte er hinaus?
    »Die Quelle des ewigen Lebens sollte uns allen zugutekommen, Marian«, fuhr Gorian leise und eindringlich fort. »Nachtschatten und auch Lichtelben sollten daraus trinken und von ihrer Wirkung profitieren. Sieh, ich bin ein großzügiger Herrscher! Ich verspreche dir, das Reich der Lichtelben wieder neu zu errichten. Unter meinem Schutz werden all die verstreut umherirrenden Elben zueinanderfinden, und du wirst ihre Königin sein, wie es vorherbestimmt war!«
    Sein Blick war jetzt auf Marians Gesicht gerichtet, und er schaffte es, einige Sekunden lang in ihre Augen zu starren, bevor er zur Seite schauen musste. In Marians Kopf verwirrten sich die Gedanken und Hoffnungen. Konnte sie ihm glauben? Das Reich der Lichtelben sollte neu erstehen? Alle sollten von der segensreichen Wirkung dieser Quelle profitieren?
    »Überlege gut, Marian!«, hörte sie ihn flüstern. »Du hast nicht das Recht, die Quelle so vielen Wesen vorzuenthalten. Sie alle sind dem Tod anheimgegeben, wenn du dich weigerst, auf meinen Vorschlag einzugehen. Ein Vorschlag, der uns allen gerecht wird. Ein kluger Vorschlag. Zugleich ein gütiger Vorschlag …«
    Seine schmeichlerische Art machte sie misstrauisch, und doch konnte sie nicht auf Anhieb sagen, was ihr an seinem Angebot missfiel. Eigentlich klang es doch ganz vernünftig, ja fast großzügig, oder?
    Ich bin ein großzügiger Herrscher … unter meinem Schutz … wirst du Königin der Lichtelben sein … Die Quelle sollte uns allen zugutekommen …
    Da war die Falle – wie hatte sie nur so naiv sein können!
    »Niemals!«, erwiderte sie mit klarer ruhiger Stimme. »Niemals wird es ein Reich der Lichtelben von deinen Gnaden geben, Gorian! Und niemals wird die Quelle des ewigen Lebens unter deine Herrschaft geraten. Sie wird den Lichtelben gehören oder auf ewig verloren bleiben!«
    Noch hallte ihre Stimme durch den großen Saal, da vernahm sie hinter sich ein zorniges Rauschen. Die schwarzen Wellen des unterirdischen Flusses strömten plötzlich mit großer Unruhe dahin, schwappten über die felsigen Ufer und benetzten den glatten Boden des Saals.
    »Der Kairon«, flüsterte einer der Krieger.
    »Der verdammte Fluss will über die Ufer treten!«
    Gorian zog verärgert die Oberlippe hoch und zeigte dabei seine langen gelblichen Zähne. Er zischte einen Befehl, den Marian nicht verstehen konnte, und von allen Seiten strömten Krieger und Bedienstete herbei. Man räumte Felsbrocken beiseite, um das Flussbett zu verbreitern, damit auf diese Weise die aufgewühlten Wogen keinen Schaden mehr anrichteten.
    »Welche Macht deine schöne Stimme doch besitzt, kleine Elbin!«, wandte sich der Herr der Nachtschatten an Marian. »Es ist schade, dieses Geschenk verkümmern zu lassen, denn es wird über Jahrhunderte nur ein einziges Mal verliehen. Besinne dich, Marian, und denke über meinen Vorschlag nach!«
    »Hoffe nicht darauf, Gorian! Nein und niemals!«
    Die beiden Krieger fassten ihre Arme und zerrten sie mit sich fort. Zornig rauschten und schäumten die Wasser des unterirdischen Flusses, doch seine Wellen brachen sich an den Felsbrocken, die man zu beiden Seiten seines Laufes aufgeschichtet hatte. Auch der Kairon war ein Gefangener.
    »Nein und niemals – welch trotziges Lied!«, rief Gorian höhnisch hinter ihr her. »Sing, kleine Elbin! Ich bin neugierig, ob auch die Wasser des Meeres dir gehorchen werden. Sing, solange du noch eine Stimme hast, mein Vöglein! Gorian ist langmütig und geduldig …«

Kapitel 27
    Die Schlacht hatte bis Mitternacht gewütet, dann zogen Gorians Krieger sich zurück, und dem Brausen und Tosen des Geistersturms folgte eine unheimliche Stille. Als der rote Sonnenball am Horizont aufstieg, lag der Wald in blutigem Nebel, entwurzelte Fichten türmten sich übereinander, vom Feuer geschwärzte Eichen reckten ihre Äste.
    Darion hatte sich gemeinsam mit anderen, die glimpflich davongekommen waren, um die Verwundeten gekümmert, ihnen von dem heilenden Wasser eingeflößt, das Aladion von der Quelle mitgebracht hatte, ihnen Mut zugesprochen und erklärt, es wäre längst noch nicht alles verloren. Gegen Mittag war tiefe Erschöpfung über ihn gekommen, er hatte sich auf dem zerwühlten Waldboden

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