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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Aladion und seine Verbündeten hatte sich auf der Flucht vor dem Morgenlicht längst in den Schatten einer gestürzten Fichte begeben. Dort legte Aladion ihnen dar, wie der Palast in die Felsenschlucht hineingebaut war und wo sich seine strategischen Schwachstellen befanden. Vor allem der Kairon, der den Palast durchfloss, würde Sache der Wassergeister sein. Dann die Spalten und Hohlräume im Fels, durch die die Erdgeister mit Leichtigkeit kriechen konnten. Außerdem gehörte zu dem Palast auch eine Stadt, wo die Untertanen des Herrschers mit Frauen und Kindern lebten. Diese Stadt müsste zuerst erobert werden …
    Darion lauschte den Gesprächen, bewunderte Aladions Fähigkeit, andere für seine Sache zu begeistern, doch er selbst hielt nichts von den Plänen des Abtrünnigen. Gorians Palast war selbst für jemanden, der sich häufig dort aufhielt, vollkommen unübersichtlich, und er zweifelte daran, dass es überhaupt ein Wesen gab, das alle geheimen Gänge und Kammern kannte. Vermutlich hatte nicht einmal Gorian selbst eine genaue Übersicht. Allerdings würde der Herr der Nachtschatten ganz sicher über einen ausgeklügelten Fluchtplan verfügen, der es ihm erlaubte, seinen Gegnern im Falle einer Belagerung zu entwischen. Was Gorian dann mit seiner Gefangenen tun würde, wollte sich Darion lieber nicht vorstellen.
    Nein, dachte er, Aladion und sein großes Heer sind mir nur im Wege. Wer Marian aus diesem Palast herausholen will, der muss listig wie ein Fuchs und mutig wie ein Löwe sein. Und fest entschlossen, lieber zu sterben, als sie in den Händen des Feindes zu lassen.
    Er erhob sich und nahm vorsorglich einen Schluck von dem heilenden Wasser, das Aladion von seinem Besuch bei Selena mitgebracht und unter den Verwundeten hatte austeilen lassen. Dann überließ er Aladion seinen strategischen Verhandlungen, verwandelte sich in einen grauen Dunststreif und nutzte die letzten Wiesennebel, um mit ihnen in die Wolken aufzusteigen. Es war kein angenehmer Flug, denn die Morgensonne schien gleißend durch dünne Flaumwölkchen, und er wäre fast in ihren Strahlen verglüht, wenn nicht eine Schicht dichter Regenwolken vom Meer herbeigezogen wäre. Auch jetzt hatte er alle Mühe, gegen den beständigen Nordwind die Richtung zu halten. Mehrmals ließ er sich auf Berggipfeln oder hohen Fichten nieder, um sich von der Kraftanstrengung zu erholen. Dort versuchte er vergeblich, sich im hellen Tageslicht zu orientieren, und erst als die dicht zusammengedrängten Regenwolken platzten und ihre feuchte Last auf Land und Meer herabfallen ließen, wurde die Reise im trüben, diesigen Wetter für ihn angenehmer. Als er in der Ferne endlich das Meer sah – eine graugrüne Fläche, auf der hie und da ein weißer Schaumrand aufleuchtete –, entdeckten einige umherjagende Windbräute ihn und fielen mit Geschrei und Gejohle über ihn her.
    »Ein Nachtschatten in den Regenwolken – fast hätten wir dich mit einem Niebling verwechselt!«
    »Und dabei ist es doch unser schöner Darion!«
    »Komm her zu uns, Darion! Wir haben noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen, du lausiger Nachtschatten.«
    »Wir haben noch eine Rechnung offen, du eiliger Flieger.«
    »Wir fordern Revanche für die verlorene Partie.«
    Sie waren nachtragend, diese Windbräute, und wesentlich gefährlicher als die Nebelfrauen. Leider hatte Darion nur allzu oft sein Spiel mit ihnen getrieben, sie herausgefordert und war ihnen dann in einem kühnen Flug hinab in die Gebirgsspalte entkommen. Das rächte sich jetzt.
    »Nur sachte, ihr Schönen!«, versuchte er, sie zu beruhigen. »Ich will gern mit euch einen ganzen Hühnerstall rupfen – aber zuerst brauche ich eure Hilfe.«
    Sie umflogen ihn jetzt so dicht, dass sie seinen Nebelkörper streiften, eine streckte schon ihre langgliedrige Krallenhand nach ihm aus und ließ den grauen Nebel zwischen ihren Fingern hindurchfließen, was kein schönes Gefühl war. Eine andere hauchte ihn mit heißem Wüstenatem an, und er musste rasch einen Schlenker fliegen, sonst hätte das Miststück ihn versengt.
    »Er braucht unsere Hilfe …«
    »Da schau an … Sollen wir dich vor uns hertreiben?«
    »Dicht über den Meereswogen, wie du es liebst?«
    »Sollen wir dich in die kalten Arme der Wasserfrauen stürzen?«
    »Oder deinen Nebelkörper hoch in der Luft in Fetzen reißen?«
    Sie waren dazu imstande, das wusste Darion. So mancher unvorsichtige Nachtschatten war schon in den Fängen der grausamen Windischen zerschlissen

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