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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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bequemen Zufluchtsort stellte dies jedoch keineswegs dar, schon gar nicht, wenn man mit Wunden und blutigen Schrammen bedeckt war und die Morgensonne mit grellen Lichtblitzen durch die Wolken schoss.
    Darion suchte sich einen Platz in einer breiten Astgabel und versuchte, sich mit dem Rücken anzulehnen, ließ es aber sofort wieder bleiben, als er den brennenden Schmerz spürte. Verdammte Feiglinge, die einem kämpfenden Mann in den Rücken stachen! Gleich, wie er sich bewegte: Es schmerzte jedes Glied, sogar die Finger waren zerschnitten, der Kettenpanzer hing in Fetzen herunter, auch die Stiefel waren ihm abhandengekommen. Schlimmer noch war, dass er das Amulett, das um seinen Hals gehangen hatte, vermisste, auch das war nun also verloren, genau wie das Elbenbuch. Nur sein Kopf schien jetzt wieder einigermaßen klar zu sein, was immerhin einen kleinen Anlass zur Hoffnung gab.
    »Darion!«
    Er fuhr zusammen, denn jetzt erinnerte er sich, dass Aladion schon einmal seinen Namen gerufen hatte. Die Stimme des Abtrünnigen klang heiser und ungewöhnlich schwach.
    »Ich bin hier, Aladion.«
    Er musste wegen der hellen Sonnenstrahlen blinzeln, als er sich suchend nach seinem Gefährten umblickte. Er entdeckte ihn ein Stück weiter unten im Gezweig in einer dreifachen Astgabelung, ein Bein angewinkelt, um sich damit abzustützen, das andere ausgestreckt, die Arme schlaff herabhängend. Als er den Blick des Alten auffing, begriff er, dass Aladion, der ihm vor wenigen Stunden noch das Leben gerettet hatte, nun selbst mit seinen Kräften am Ende war. Der Kopf des Alten lehnte am Stamm, und sein langes Haar hing strähnig um seine Schultern. Dunkles Blut klebte daran.
    »Warte, ich steige zu dir herunter …«
    »Lass es sein, Darion«, hielt der Abtrünnige ihn zurück. »Sag mir lieber, ob du trotz deiner Wunden fliegen könntest.«
    Das würde nicht ganz einfach und schon gar nicht schmerzfrei sein, aber es mochte gehen. Das Problem war nur, dass das Geschwader der Nachtschattenkrieger möglicherweise noch in der Nähe weilte, um sich auf ihn zu stürzen, sobald er die schützenden Zweige der Esche verließ.
    »Drüben auf dem Festland findest du ein schmales Tal, durch das sich ein Bachlauf windet. Es wird von einem mächtigen Berg versperrt, einem Felsbrocken, der quer zu den übrigen Bergrücken liegt. Nur Birken und wenige Fichten gedeihen in dem karstigen Gestein. Dort entspringt die Quelle, aus der sich der Bachlauf speist.«
    »Eine Quelle. Willst du, dass ich dir heilendes Wasser bringe?«
    Aladion gab keine Antwort, und Darion begriff, dass es ihm ziemlich elend gehen musste, sonst hätte sein Stolz ihn ganz sicher daran gehindert, eine solche Bitte auszusprechen.
    »Gib mir ein paar Minuten, damit ich mich sortieren kann«, versuchte er zu scherzen. »Der Rest ist ein Kinderspiel.«
    »Nimm dich in acht, Darion! Die Quelle wird bewacht …«
    »Gut, dass du es erwähnst …«
    Es kostete einige Mühe sich aufzurichten und aus dem verschlungenen Gezweig herauszusteigen, denn die Esche schien Darion geradezu liebgewonnen zu haben und versuchte, ihn festzuhalten. Vorsichtig beschattete er seine Augen und spähte in alle Richtungen. Das Meer war grau und aufgewühlt. Wenn die Sonne durch die Wolken brach, schienen unzählige gleißende Lichter darin zu brennen. In der Ferne verwischten Nebelgeister die Linie des Horizonts. Zum Land hin erblickte man dunkles Felsgestein, in das die See zahlreiche kleine und größere Buchten gewaschen hatte, dahinter erhoben sich Berge, die jetzt zur Winterzeit unwirtlich und kahl wirkten. Feindliche Nachtschatten entdeckte Darion nicht, nur ein paar Wassergeister, die am Strand herumlungerten, und auf einem der Felsen sonnte sich eine hässliche Trollin. Nach diesem Rundblick brauchte er ein Weilchen, bis das Brennen in seinen Augen nachließ, aber eines war sicher: Gorians Krieger würden bei diesem gleißenden Morgenlicht noch schlechter sehen als er selbst, der durch die Hölle der Lichtfolter gegangen war.
    Aladion lag vollkommen reglos, er schien nicht einmal zu bemerken, dass sein Gefährte über ihm herumkletterte – Darion bekam jetzt wirklich Angst um ihn. Er wand sich aus dem anhänglichen Gezweig heraus und stieg als Nebelstreif in die Luft, prüfte den Wind, der zum Glück hilfreich war und ihn dem Land zutrieb, und achtete sorgsam darauf, nicht in den Bereich der hoch aufschäumenden Wellen zu gelangen, denn in seinem momentanen Zustand war er dem groben Spiel der

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