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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Wassernixen nicht gewachsen.
    Noch gestern hätte er sich nicht vorstellen können, dass er einmal sein Leben riskieren würde, um dem Abtrünnigen Aladion zu helfen – doch inzwischen war viel geschehen.
    Er hatte den hinterhältigen Angreifer, der ihm das Elbenbuch vor Marians Zimmertür entwunden hatte, nur allzu gut erkannt. Es handelte sich um einen der Boten Gorians, ein ehrgeiziges Bürschlein, das – verflucht, Darion hatte es schon befürchtet! – neben der allabendlichen Fragerei auch noch ein wenig in der Villa herumspioniert hatte. Wahrscheinlich war er ihm ins Archiv gefolgt und hatte auch durch das Schlüsselloch in Marians Zimmer geschaut – allein dafür hätte Darion ihn gern erschlagen. Mit einer unbändigen Wut im Bauch hatte er sich nach dem überraschenden Überfall wieder aufgerappelt, um den Angreifer zu verfolgen. Er musste das Buch unbedingt zurückhaben – wie sollte er Marian jemals ohne das Elbenbuch unter die Augen treten?
    Er brauchte nicht lange, um den jungen Burschen ausfindig zu machen, schließlich war er kein Dummkopf, wie der andere wohl geglaubt hatte. Hinter dem Schornstein hatte er sich versteckt und wollte schlau abwarten, dass der Krieger Darion in die Wolken hinaufstieg, um sich dort oben schwarz zu suchen. Es kam zu einem kurzen Kampf auf dem Dach, doch es gelang Darion nicht, den anderen zu erwischen, weil ihm zwei aufgeregte Nebelfrauen mit ihren wattigen Körpern dazwischenfuhren. Bis er die klebrigen Weiber wieder los war, hatte der Bücherdieb längst das Weite gesucht.
    Stundenlang spielten sie Katz und Maus miteinander, wohl zehnmal hatte er den schlüpfrigen Burschen gestellt, zweimal war das Buch schon fast in seine Hände gefallen, und doch musste dieser ehrgeizige Schattenbote einen Glücksbringer bei sich tragen, denn er entkam ihm immer wieder. Erst über dem Meer, als der Sturm sie beide beutelte, gelang es Darion, seinen Widersacher einzuholen und am Genick zu fassen, doch als der verfluchte Bursche begriff, dass sein Spiel verloren war, warf er seine Beute lieber ins Meer, als sie dem Gegner zu gönnen. Darion sah das Elbenbuch wie einen braun-weißen kopflosen Vogel über den aufgewühlten Wellen flattern, beobachtete, wie die Windbräute danach haschten und die Wassergeister ihre kalten grünen Arme reckten. Doch obgleich er wie ein Falke herabstieß, um das Buch im Flug zu ergreifen, waren die nassen Hände doch rascher und zogen die Elbenschrift ins Meer hinab. Wie lächerlich dumm sie waren, diese glitschigen fischleibigen Wasserwesen! Was wollten sie wohl mit einem Elbenbuch anfangen, das sich Wort für Wort und Seite für Seite im Meer auflösen und vergehen würde?
    Darion hatte in heller Verzweiflung auf das versinkende Buch gestarrt, und erst als er die Schatten über sich spürte, begriff er, dass sein Gegner inzwischen Verstärkung von einem ganzen Geschwader Nachtschattenkrieger erhalten hatte. Über dem Meer hatte er nicht die mindeste Chance – Windbräute und Wassergeister würden sich in den Kampf mischen und ihn auf ihre Weise nutzen. Er floh zum Land hin und hoffte, in einem felsigen Tal oder einer Höhle Zuflucht zu finden, doch sie stellten ihn, kaum dass er die ersten Hügel erreicht hatte …
    Aladion hatte ihm das Leben gerettet – ausgerechnet dieser Abtrünnige, über den er sich oft genug geärgert hatte, war aus den Wolken herabgestoßen, um an Darions Seite zu kämpfen. Er schien Erfahrung mit solchen Gegnern zu haben, der Alte, denn er hielt sich nicht damit auf, die Jungschar wie ebenbürtige Kämpfer zu behandeln. Er prügelte förmlich auf die überraschten Nachtschatten ein, stieß sie herum, teilte sogar Fußtritte aus. Eine Weile sah es so aus, als wollten ihre Gegner sich zur Flucht wenden, dann aber tauchten zwei weitere Nachtschatten auf, die der Kampfeslärm offensichtlich auf ihrem Flug angelockt hatte, und diese beiden waren keine Anfänger, sondern etwa in Darions Alter. Das Blatt wendete sich auf der Stelle, am Ende entkamen sie nur mit knapper Not der Vernichtung.
    Darion musste in die Wolken aufsteigen, um einen besseren Überblick zu gewinnen, denn das Tal, von dem Aladion gesprochen hatte, war nirgendwo zu sehen. Er entdeckte es eine gute Wegstrecke landeinwärts, einen schmalen Einschnitt zwischen zwei Bergrücken, eher eine Klamm als ein Tal, durch die sich ein Wildbach drängte. Ein klobiger lang gezogener Felsen lag quer zu den übrigen Bergrücken, als hätte sich ein steinerner Drache hier

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