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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Pelzkragen geschmückt, der Saum berührte den Boden, als Mrs. Crincle ihr das Kleidungsstück hastig umlegte. Angstschweiß brach ihr aus. Kate, wo steckte ihre Freundin Kate? Weshalb hatte sie sie hier allein gelassen? Wo war Mrs. Feathers abgeblieben? Sie konnte doch nicht für ewige Zeiten in ihrer Küche verschwinden!
    »Rasch, Herrin! Die Zeit eilt uns davon …«, wisperte Mr. Crincle und streckte seinen langen dünnen Arm nach Marian aus.
    Da rasselte draußen auf der Gasse eine Kutsche heran, und man vernahm die lauten, schneidenden Rufe des Kutschers, der die beiden Pferde vor dem Haus zum Stehen brachte. In Sekundenschnelle öffnete sich der Kutschenschlag, und eine große dunkel gekleidete Gestalt stürzte im Eilschritt auf das Haus zu.
    »Wo ist sie? Heraus mit ihr, oder ich hole die Polizei! Heraus! Heraus!«
    Professor Sereno riss an der Türglocke wie ein Besessener, schlug dann wütend mit seinen Fäusten gegen die grün gestrichene Eingangstür, und gleich darauf vernahm man einen erschrockenen Aufschrei, der ohne Zweifel von Mrs. Feathers stammte, die ihm die Tür geöffnet hatte.
    Mr. und Mrs. Crincle wichen erschrocken zur Seite, als Sereno ins Wohnzimmer stürmte, der arme George erhielt einen Schlag vor die Brust und taumelte gegen den Esstisch. Die Teekanne und zwei Tassen rutschten über den Tischrand und fielen klirrend zu Boden.
    »Her zu mir!«, brüllte der Professor und griff die entsetzte Marian am Arm. Nur wenige Minuten später saß sie neben ihm in der davonjagenden Kutsche, ohne Jacke und Hut, dafür aber in Kates cremefarbenem Kleid und mit einem fremden Umhang angetan. Sereno sagte kein Wort, doch er hielt noch immer seine Hand um ihr Handgelenk geschlossen, und sie spürte, wie aufgeregt sein Atem ging.
    »Dein Vormund hat dir verboten, die Villa ohne Erlaubnis zu verlassen!«, fuhr er sie an, nachdem sie eine Weile durch die Stadt gefahren waren. Als er bemerkte, dass sie vor Angst und Schrecken den Tränen nahe war, beruhigte er sich, und sein Ton wurde milder.
    »Zum Glück bin ich noch rechtzeitig gekommen, sonst hätte es gefährlich werden können.«
    Er schien jetzt mehr besorgt als zornig, fragte, ob man ihr etwas angetan habe, ob sie verletzt sei, ob er anhalten lassen solle, um ihr ein Glas Wasser zu besorgen.
    »Danke, es geht schon … Ich habe mich nur erschreckt …«
    »Wir sind gleich bei der Villa. Dort wirst du dich ein wenig hinlegen und zur Ruhe kommen. Es ist ja nichts Schlimmes geschehen, Marian. Nichts als ein böser Traum, der bald verblassen wird …«
    Er hatte den Griff um ihr Handgelenk gelockert und strich mit hilflosen Bewegungen über die roten Abdrücke, die seine Hand auf ihrer Haut hinterlassen hatte. Marian ließ ihn schweigend gewähren. Nein, sie träumte nicht, sie fuhr tatsächlich in einer Kutsche durch die verregnete kalte Stadt, und Sereno saß ihr gegenüber, den Blick seiner übergroßen braunen Augen starr auf sie gerichtet. Ein seltsamer Ausdruck lag darin, eine Mischung aus angstvoller Sorge und gieriger Erwartung. Sie hatte auch vorhin nicht geträumt, als sie die beiden Crincles gesehen hatte. Sie hatte überhaupt nicht geträumt, und sie war auch nicht verrückt. Um sie herum taten sich seltsame Dinge.
    Gab es sie tatsächlich, diese zweite Welt neben der ersten? Und konnte es sein, dass sie selbst ein Teil davon war? Eine … Lichtelbin?

Kapitel 19
    Der Fiebertraum ließ sich nicht abschütteln, mischte Geschehenes mit Wahnvorstellungen und peinigte Darion mit grotesken Bildern. Wie ein Schwarm düsterer Vögel sanken die Gegner vom Nachthimmel herab, das schwarze Panzerhemd bildete ihr Federkleid, stählerne Schwerter ihre Schnäbel. Von allen Seiten griffen sie ihn an, es war kein Kampf nach den Regeln, kein Messen von Kraft und Geschicklichkeit Mann gegen Mann, so wie er es einmal gelernt hatte. Hier zählte nur die Vernichtung. Eine dichte wirbelnde Masse von Armen, Leibern und Schwertern stürzte über ihn her, hie und da ein mondbleiches Antlitz, Augen wie schwarze Schattenflecke, Münder halb geöffnet, als steckte dem Kämpfer schon das Triumphgeschrei in der Kehle.
    Darion wehrte sich, hieb um sich wie ein Besessener, und wer von ihm getroffen wurde, wich angstvoll zurück, überließ seinen Platz einem anderen. Keiner dieser Anfänger war ihm gewachsen, hätte es sich um einen ehrlichen Kampf gehandelt. Er hätte sie nacheinander besiegt, jeden Einzelnen von ihnen, selbst wenn er mit seinen Kräften schon am Ende

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