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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kann ich ihr sagen, daß das ein Irrtum von ihr ist?«
    »Und welcher Irrtum das von ihr ist!« rief André.
    »Kann ich ihr das also sagen?«
    »Selbstverständlich!«
    »Weißt du was«, schlug Tergnier vor, »warte zehn Minuten, dann kommt sie, und du kannst es ihr selbst sagen.«
    André wartete.
    *
    Professor Julien Bonnet betrat das Zimmer, das er gemietet hatte, sperrte die Tür hinter sich ab und nahm mit einer Hand den Aschenbecher und eine leere Blumenvase vom Tisch, stellte beides aufs Fensterbrett. Mit der anderen Hand hielt er Andrés Pergamente an die Brust gedrückt. Dann tat er etwas ganz Unsinniges. Er drückte auf jedes Blatt einen vorsichtigen Kuß und legte sie alle sechs der Reihe nach nebeneinander auf die leer gewordene Tischplatte.
    Da lagen sie nun, und Julien Bonnet überließ sich seinen unbeschreiblichen Glücksgefühlen. Minuten lang betrachtete er den ungeheuren Schatz Frankreichs, den er geborgen hatte (an André dachte er in diesem Augenblick nicht). Er, Julien Bonnet, war, so empfand er, der Größte.
    Er ging um den Tisch herum, wechselte die Abstände, ging etwas weiter weg, trat dann wieder ganz nah an den Tisch heran. Die veränderten Blickwinkel, unter denen sich ihm dadurch die Blätter zeigten, schleuderten ihn auf den Gipfel des Entzückens. Das Atmen fiel ihm schwer.
    So glücklich mußte Schliemann gewesen sein, als er bei seinen Ausgrabungen auf den ersten Stein Trojas stieß. Das mußte Röntgen empfunden haben, als ihm der erste Blick in den Körper eines Menschen gelang.
    Sechs Lieder nur, ja, doch sechs Gesänge eines von der literarischen Welt lange gesuchten, schmerzhaft vermißten romanischen Genies … sechs Hymnen an die Frauen einer versunkenen Zeit, sechs Lieder, in denen alle Sehnsucht Frankreichs eingefangen war.
    Bonnet hatte das Gefühl, daß ihn ein Nebel einhüllte, ihm in die Schläfen stieg und sich über seinen Geist ausbreitete. Der stumme innere Schrei ›Du bist am Ziel!‹ erstickte jeden Funken eines Zweifels.
    »Wer hätte das gedacht, Bonnet?« sprach er laut mit sich selbst, nachdem er sich auf einen der beiden Stühle, mit denen das nicht gerade komfortabel ausgestattete Zimmer bestückt war, gesetzt hatte. »Vierzehn Jahre hast du gesucht, vierzehn lange, ergebnislose Jahre hat dich ein Gedanke durch die Provence getrieben, warst du ein Sklave deiner Idee, deines Traumes, haben dich deine Kollegen bespöttelt, ging darüber deine Ehe in Brüche … und nun, nun ist alles Wahrheit geworden, sieht sich die Idee gerechtfertigt, lebt der Traum. Keiner wird mehr spotten, alle werden sie vor Neid erblassen. Und Danielle mit ihrem Textilhändler, den sie mir vorgezogen hat, wird auch den Fehler erkennen, den sie gemacht hat, wenn ich in die Académie Française aufgenommen werde. Das ist nämlich durchaus leicht möglich. Die soll aber nicht glauben, daß sie etwas rückgängig machen kann, da täuscht sie sich, ich bin doch kein Hampelmann – ich nicht, ich bin Julien Bonnet!«
    Er war aufgesprungen und streckte sich, reckte sich unsichtbaren Institutionen entgegen, deren Ehrungen in Empfang zu nehmen er bereit war.
    Er sah nicht die Wolke, die sich über seinem Haupt zusammenballte.
    *
    Drei Tage später verließ ein Wagen, dessen Achse wieder in Ordnung gebracht worden war, Carpentras, und ihm blickten nach ein alter Vater, dem es gerade noch gelang, Fassung zu bewahren, und eine weißhaarige, weinende Mutter, die sich gar nicht erst mühte, ihren Tränen Einhalt zu gebieten. Beide winkten, winkten solange, bis der Wagen ihren Blicken völlig entschwunden war.
    »Komm wieder, André«, schluchzte die weinende Yvonne Tornerre und klammerte sich an den Arm ihres Mannes. »Komm wieder, mein Junge, geh uns nicht auch noch verloren.«
    Dann wandten sich die Alten um, langsam, als könnten sie den Blick nicht von der Stelle wenden, wo der Wagen eingetaucht war in den allgemeinen Verkehr.
    Marcel Tornerre hätte nun seine Schritte am liebsten zum Anwesen der Tergniers gelenkt, um Trost bei einem Glas Wein zu suchen. Diese Idee war jedoch nicht in Einklang zu bringen mit dem, was seiner Frau vorschwebte.
    »Komm, Marcel«, sagte sie, ihn auf die andere Straßenseite hinüberziehend, »wenn wir uns beeilen, haben wir noch ein halbes Stündchen Zeit, ehe ich mit dem Kochen beginnen muß.«
    »Wohin willst du?«
    »In die Kirche. Wir wollen für ihn beten.«
    *
    In der großen Aula der Sorbonne in Paris, dem Mittelpunkt des französischen Geisteslebens,

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