Gesang des Meeres - Feehan, C: Gesang des Meeres - Turbulent Sea (6 - Joley u. Ilya Prakenskii)
sorgsam darauf, links neben sich Lärm zu erzeugen. Eine Salve von Schüssen ertönte. Er gab einen Schuss in die Richtung ab, aus der das Mündungsfeuer gekommen war, und hörte ein Ächzen und gleich darauf einen dumpfen Aufprall. Ilja ließ sich auf den Boden fallen, als er die Leiche hinfallen hörte. Augenblicklich wurden weitere Schüsse abgegeben. Der Kopfhörer wäre beinah zerschmettert, als der Anführer die anderen anschrie, sie sollten das Feuer einstellen, und sie warnte, sie könnten sich sonst gegenseitig treffen.
Zwei Männer waren fast gleichzeitig bei ihm angelangt; er wälzte sich herum, um einen Schuss abzugeben, während einer von beiden auf ihn schoss. Die Kugel streifte seinen Arm fest genug, um ihn nach hinten zu werfen, und riss einen Brocken Fleisch heraus. Somit würde seine DNA am Schauplatz zurückbleiben, und das gefiel ihm gar nicht. Fluchend rollte er sich herum und sprang auf. Der Mann, der auf ihn geschossen hatte, war ausgeschaltet; die Kugel hatte ihn zwischen den Augen getroffen. Der zweite Mann holte mit seiner Waffe aus, um sie Ilja über den Schädel zu ziehen.
Er wich aus, aber nicht schnell genug. Das Metall schabte über seinen Wangenknochen, als Ilja den Kopf aus dem Weg riss. Er trat fest zu und zielte auf eine Kniescheibe. Sein Tritt landete dicht über dem Ziel. Der Mann stöhnte und wankte, als sein Bein unter ihm nachgab. Ilja erwischte mit einem wilden Schwinger seinen Kopf, riss ihn zu Boden und ließ gleich darauf einen Tritt folgen, der ihm die Luftröhre zerstampfte. Die Augen des Mannes wurden groß und die Waffe glitt ihm aus der kraftlosen Hand.
Ilja zerriss hastig sein Hemd und wickelte Streifen um die Wunde in seinem Arm, um zu verhindern, dass er noch mehr
Blutstropfen am Tatort zurückließ. Vier Gegner ausgeschaltet. Somit blieben noch zwei, und er musste sie beide töten. Er durfte keinen von ihnen am Leben lassen. Er wusste nicht, ob jemand Jonas Harrington und Aleksandr Volstov gesehen hatte, aber wenn ja, dann würde seine Tarnung auffliegen, und das bedeutete den sicheren Tod für Joley.
Er hob die Waffe des Toten auf, die seinen Wangenknochen gestreift und seine Haut aufgeschürft hatte. Auch die durfte nicht am Tatort liegen bleiben. Er würde sie möglichst weit weg von hier in ihre Einzelteile zerlegen und sie sich vom Hals schaffen müssen. Ilja steckte sie in seinen Gürtel und setzte sich wieder in Bewegung.
Die anderen waren in der plötzlich eingetretenen Stille vorsichtiger geworden. Einer von beiden fluchte, und der andere sagte ihm, er solle den Mund halten. Ilja schlich sich zwischen die Bäume in der Nähe des Spielplatzes. Er konnte eine Schaukel, eine Rutschbahn und ein Karussell erkennen. Er selber hatte als Kind nie auf einer Schaukel oder einer Rutschbahn gesessen. Und auf einem Karussell schon gar nicht. Er war an Hauswänden hinaufgeklettert und auf zwei Etagen hohen Netzen herumgeturnt, das ja. Sein Leben war schon immer so gewesen wie heute – er war entweder der Gejagte oder der Jäger.
Er wartete in aller Ruhe und fühlte weder den Schmerz in seinem Arm noch im Gesicht. Das Einzige, was zählte, waren Geräusche und Bewegungen. Der Wind rauschte leise durch die Bäume und ließ das Laub rascheln; ab und zu war ein silbernes Funkeln zu sehen, wenn es dem Mond gelang, durch die Wolken zu brechen. In der Ferne hörte er Verkehrsgeräusche. Durch den Kopfhörer in seinem Ohr drang schwerer Atem. Wenige Meter rechts von ihm knackte ein Zweig. Er ließ sich langsam tiefer sinken und hielt sich dicht an den Sträuchern, um seinen Umriss zu verbergen, wandte sich zu dem Geräusch um und wartete. Und wartete.
In dem Moment ging ihm auf, dass er den größten Teil seines
Lebens damit zugebracht hatte, in den Schatten zu lauern und darauf zu warten, dass ein anderer eine falsche Bewegung machte. Nach diesem Auftrag reichte es ihm. Es reichte ihm von verdeckten Ermittlungen und von einem einsamen, kalten Dasein. Er hatte es satt, Menschen zu töten. Er wünschte, das Töten würde ihm etwas ausmachen, es würde ihn belasten, aber seine Gefühlsregungen waren schon vor so langer Zeit abgetötet worden, dass er sein Schuldbewusstsein jetzt nicht plötzlich wiederauferstehen lassen konnte. Wenn er verdeckte Ermittlungen ausführte oder jemanden aus dem Weg räumte, der sich dem Arm des Gesetzes entzog, dann tat er schlicht und einfach seine Arbeit. Er hatte seinen eigenen Moralkodex, von dem er nie abzuweichen versuchte, denn es war
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