Geschenke für den Kommissar - Kriminalroman
aus diesem Grund persönlich vorbeibringen. Vielleicht würde ja alles wieder gut werden? Eine gehörige Portion Wehmut ergriff ihn, als er an die vergangene Zeit mit Jeannette zurückdachte. Er ging zum Fenster, schaute auf die Straße und zuckte zurück. Im Erdgeschoss des gegenüberliegenden Hauses war ein Fenster geöffnet. Karlo erkannte Marianne, wie sie durchs Wohnzimmer ging, und er wunderte sich. Sie schien heute frei zu haben. War das ein Wink des Schicksals, eine Aufforderung, reinen Tisch zu machen?
Es wurde Zeit, dass er ihr reinen Wein einschenkte bezüglich seiner Person. Sie würde bestimmt nicht begeistert sein zu erfahren, dass ausgerechnet er einer dieser Männer war, die in Berwalds „sozialem Wohnungsbau“ untergekommen waren. Er konnte es nicht ändern. Das war er Jeannette schuldig.
Entnervt saßen sich Reichard und Schönhals gegenüber und sortierten die gewonnenen Fakten.
Leibach und Kirchner hatten sich bislang entschieden zu schweigen und keinen Mucks von sich gegeben. Sie waren getrennt vernommen worden, ohne jeden Erfolg. Als Reichard Leibach auf den Kopf zugesagt hatte, dass
er
den Anschlag auf Berwald verübt habe, und zwar mit der Beretta, die er bei sich trug, als man ihn verhaftete, zeigte sich nur ein mattes Lächeln auf dem Gesicht des Kochs.
Einige Zeit später verpuffte Reichards Hoffnung auf eine schnelle Aufklärung des Mordfalls Habicht endgültig. Weder die Geschosse aus Berwalds Wohnung noch die Kugel aus Habichts Brust stammten aus der Waffe des Einbrecherduos. Es war schlicht und einfach nur zufällig das gleiche Modell.
Während eines verheerenden Hustenanfalls ereilte Hauptkommissar Schönhals dann eine Eingebung. Er sprang auf, blieb für einen Moment vornübergebeugt stehen und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Rücken. „Eingeklemmter Nerv“, lamentierte er stöhnend. „Ich hoffe, das muss nicht operiert werden.“
Dann richtete er sich theatralisch auf und winkte seinem Kollegen tapfer. „Kommen Sie. Wir sollten uns endlich die Wohnung gegenüber von Berwalds Haus ansehen.“
Nun also der Rücken. Das war neu. Reichard drehte die Augen ergeben nach oben, dann stimmte er seinem neuen Vorgesetzten zu. „Richtig. Der Chef, äh, ich meine Herr Gehring, hat ja erzählt, dass Berwalds Sekretärin dort wohnt. Kölner hat das wohl rausgefunden. Und ich habe Leibach auch schon gefragt, was er in der Wohnung zu suchen hatte. Kölner hat ihn hineingehen sehen. Aber die Typen sind ja stumm wie Fische.“
Die Miene des kränkelnden Hauptkommissars verfinsterte sich. Er wirkte schwer beleidigt. Und die Rückenschmerzen waren wie weggezaubert.
„Sagen Sie, könnten Sie vielleicht in Erwägung ziehen, sich allmählich an mich zu gewöhnen? Wäre das möglich? Ja? Von wegen
Chef
und so. Ich kann es nicht mehr hören. Und, vor allen Dingen, lassen Sie diesen Kölner aus dem Spiel. Ich glaube langsam, mein momentaner Lungendefekt wird von ihm ausgelöst.“
Reichard schob die plötzliche Verletztheit des Hauptkommissars auf seine ausgeprägte allgemeine Hypochondrie und maß ihr keine große Bedeutung zu. Im Gegenteil, er legte noch nach.
„Sie meinen, so etwas wie ein anaphylaktischer Schock?“, goss er ungerührt seinen Sarkasmus auf Schönhals’ diagnostische Mühle. „Sozusagen die heftige Reaktion des Organismus auf ein Allergen, in diesem Fall eine Person namens Karlo Kölner, bei der zunächst verstärkt Histamin ausgeschüttet wird“, fuhr er genüsslich erklärend fort. „Das wiederum löst eine Kettenreaktion aus. Erst weiten sich die Blutgefäße, dann sackt der Blutdruck rapide ab, was bewirkt, dass lebenswichtige Organe nicht mehr oder schlechter durchblutet werden. Das allein kann schon den Kreislauf zusammenbrechen lassen, so dass der Betroffene im schlimmsten Fall ...“
„Wo haben Sie das denn her? Hören Sie sofort auf!“ Schönhals’ Gesicht gerann zu einer amorphen Fratze, und mit bebender Stimme befahl er dem Kommissar: „Los jetzt, Sie Amateurmediziner. Kommen Sie endlich!“
Der Hauptkommissar unterband auf diese abrupte Weise fortführende Erläuterungen Reichards bezüglich Flüssigkeitsablagerungen im Gewebe, plötzlichen Ödemen und lebensgefährlichen Verkrampfungen der Atemwege. Fremddiagnosen schienen nicht seine Sache zu sein. Schönhals spielte lieber selbst Doktor.
Reichard wechselte das Thema. „Und wenn niemand zu Hause ist?“
„Dann improvisieren wir eben.“
Reichard zupfte sich prüfend am
Weitere Kostenlose Bücher