Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)
B., dass ich eine Taschenlampe mitnehmen sollte, damit wir nachts heimlich über die Gänge des alten Klosters schleichen konnten.
Mama kochte und backte schon die ganze Woche. Wir hatten ein ganzes Menü geplant, auf das ich mich jetzt schon freute: Zuerst würde es Mamas Hühnersuppe geben. Dafür kochte sie selbst die Hühner aus und machte Nudeln aus großen Teigplatten, die einen Tag über der Lehne des Küchenstuhls trockneten. Danach gab es gemischten Salat mit Lachs, das hatte ich mir gewünscht. Als Hauptgericht würde es Rouladen mit selbstgemachten Knödeln geben. Und als Nachtisch Eis mit heißen Himbeeren.
Wir waren heute sehr früh aufgestanden und hatten das komplette Wohn- und Esszimmer ausgeräumt. Mama und Papa hatten eine Riesentafel gebaut, auf die wir alle weißen Tischdecken legten, die wir finden konnten. Dann verteilte ich die Tulpen, die wir gekauft hatten, in kleinen Vasen auf den Tischen. Weil ein besonderer Tag war, deckten wir das Goldrandgeschirr und ich durfte die Tafel dekorieren. Mama gab mir ein paar Tipps und zeigte mir, wie man Servietten faltete, damit sie aussahen wie Lilien.
Anne war schon gestern gekommen. Sie war zehn Jahre älter als ich und studierte in einer anderen Stadt. Sie war extra zu meiner Kommunion angereist. Um neun Uhr klingelte es zum ersten Mal an der Haustür. Es waren mein Onkel und meine Tante, die Schwester meiner Mama und meine beiden Cousins. So ging es die nächste halbe Stunde weiter, bis alle da waren: Oma Anna, das war Mamas Mutter, nach der Anne benannt war, alle Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins und natürlich Mama, Papa, Stefan, Kerstin, Anne und ich.
Jetzt waren sie alle in der Kirche und schauten mir zu, wie ich zusammen mit den anderen Kindern langsam den Mittelgang der Kirche entlangschritt. Immer zwei Kinder gingen nebeneinander. Unsere Kerzen waren noch aus. Vorne im Altarraum sollten sie mit dem Osterfeuer angezündet werden. Ich versuchte, mich in der Kirche umzusehen, ohne den Kopf zu bewegen. Vermutlich sah das ein bisschen dämlich aus, aber das war mir egal, denn ich musste wissen, wer alles da war. Ich sah Onkel Jochen und Tante Ingrid mit meinen beiden Cousins zwei Reihen weiter vorne. Die meisten Eltern und Verwandten waren aufgestanden und hatten sich umgedreht, damit sie uns besser sehen konnten. Mama stand vorne im Altarraum, sie half dem Pfarrer und den Messdienern. Papa, Anne, Kerstin und mein kleiner Bruder Stefan standen vorne in der zweiten Reihe, Papa hatte wie viele andere auch seine Kamera vor der Nase und es blitzte.
Ich konnte sie nirgendwo entdecken. Ob sie da war?
Mama und ich hatten lange überlegt, ob wir meine Mutter einladen sollen. Mama hatte schließlich darauf bestanden, ihr anzubieten, zu kommen.
»Du bist schließlich ihr Kind. Das ist ein wichtiger Tag in deinem Leben, da dürfen wir sie nicht ausschließen«, hatte sie mir erklärt. »Außerdem wollen wir sie doch nicht verärgern, oder?«, hatte sie noch hinzugefügt.
»Aber sie ist so anders als wir und die anderen Verwandten, Mama. Das wird bestimmt komisch, oder?« Ich hatte ein mulmiges Gefühl, wenn ich mir vorstellte, wie sie zwischen all meinen Onkeln und Tanten saß. Mit ihren langen, blonden Haaren, ihren Stöckelschuhen und den schicken Kleidern.
Mama rief sie an, um sie einzuladen. Ich stand neben ihr und lauschte. Sie wechselten ein paar Worte, dann sagte Mama sehr freundlich:
»Sie können sehr gerne am Sonntag zu uns kommen und mit uns allen gemeinsam feiern. Aber wenn Ihnen das zu viel Trubel ist – was halten Sie von der Idee, am Montagnachmittag zum Kaffeetrinken zu kommen? Dann haben Sie und Janines Oma sie ganz für sich und können in Ruhe mit ihr feiern?«
Gute Idee, Mama!, jubelte ich innerlich. Mama sprach weiter:
»Kommen Sie doch am Sonntag in die Kirche, dann können Sie die Zeremonie miterleben! Der Gottesdienst beginnt um zehn Uhr. Danach werden noch Fotos gemacht.«
Als sie aufgelegt hatte, erzählte mir Mama, dass meine Mutter gesagt hatte, sie wüsste noch nicht, ob sie es am Sonntag zum Gottesdienst schaffte. Am Montag wollte sie aber zusammen mit Oma kommen, um mit mir bei uns zu Hause nachzufeiern.
Wir waren vorne am Altarraum angekommen. Die Kinder in der rechten Reihe gingen nach rechts, die in der linken Reihe nach links. Vor dem Altar verbeugten wir uns, dann stellten wir uns in einem Halbkreis um den Altar herum auf. Ich war so stolz, dass ich hier stand und mich alle ansahen. Ich fühlte mich schön
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