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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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und erwachsen. Mittlerweile war ich mir sicher, dass sie nicht gekommen war. Ich hatte sie nirgends entdecken können. Ich blickte auf und sah, dass Mama mich anlächelte und kurz nickte. Nicht zu viel, dass es die anderen nicht mitbekamen, aber genug, dass ich wusste, dieses Lächeln war für mich bestimmt.
    »Heute ist der große Tag gekommen. Der Tag, auf den ihr euch so lange in euren Gruppen vorbereitet habt. Heute dürft ihr zum ersten Mal Jesus, euren Freund, ganz in euch aufnehmen. Wie Jesus sich mit uns verbinden will, so sind auch wir Menschen untereinander verbunden«, sagte der Pfarrer.
    Das war das Stichwort für sechs Kinder aus meiner Kommunionsgruppe, die ihre Kerzen absetzten und sich im Kreis einander gegenüber aufstellten. Immer zwei von ihnen hielten die Enden einer roten Schnur, sodass sich ein sternförmiges Netz bildete. Der Pfarrer sagte:
    »Was hier entstanden ist, ist ein Netz. Die Fäden sind die Verbindungen zwischen den Menschen, die alle zusammen die Gemeinschaft bilden, die uns auffängt und trägt.«
    Eines der Kinder nahm eine Schere und zerschnitt die Fäden. Der Pfarrer fuhr fort:
    »Manchmal schneiden wir diese Verbindungen ab, das Netz reißt und wir müssen es wieder knüpfen. Mit der Kraft Gottes gelingt uns dies. Jesus hilft uns, uns untereinander zu verbinden und als Gemeinschaft stark zu sein.«
    Die Kinder knoteten die Fäden wieder zusammen und legten das reparierte Netz auf den Altar.
    Danach las der Pfarrer aus dem Evangelium etwas über Jesus vor und wir zündeten unsere Kerzen am Osterlicht an. Jesus Christus war das Licht der Welt und die Osterkerze war das Symbol dafür, hatten wir im Kommunionsunterricht gelernt. Die Kerzen würden unsere ganz persönliche Erinnerung an den Tag der ersten heiligen Kommunion sein.
    Zum Schluss kam der Höhepunkt der Zeremonie: Die Eucharistie, während der wir zum ersten Mal den Leib Christi bekamen. Wir hatten das Wort im Kommunionsunterricht gelernt. Es war das Erwachsenenwort für Abendmahl.
    Ich fand es ein bisschen komisch, dass wir ein Stück von Jesus essen sollten, und hatte Mama vor ein paar Wochen gefragt, warum wir das machten. Sie hatte mir erklärt, dass früher, zu der Zeit, in der Jesus gelebt hatte, unter »Leib« der ganze Mensch verstanden wurde. Also nicht nur der Körper, sondern auch seine Gedanken und seine Gefühle. »Leib Christi« bedeutete also so ungefähr: »Alles, was Jesus ausmacht«. Wenn der Pfarrer bei der Kommunionsausteilung sagte, das wäre »der Leib Christi«, bedeutete das, Jesus Christus selbst kommt jetzt zu dir und du nimmst ihn ganz in dich und deine Person auf. Dann ist er ein Teil von dir. Das gemeinsame Mahl in der Eucharistiefeier verbindet uns mit Jesus Christus und untereinander. Wenn wir Amen sagen, sagen wir Ja zur Gemeinschaft mit Jesus und gehören jetzt auch richtig zu der Gemeinschaft der Gläubigen und der Kirche. Ich fand es kompliziert, aber auch sehr feierlich. Und als der Pfarrer mir die weiße Oblate gab, gehörte ich dazu.
    Mamas Freundin hatte im Kommunionsunterricht gesagt, wir sollten nicht »Oblate« denken oder sagen, sondern »Leib Christi«, aber sie sahen einfach genauso aus wie die Oblaten, die wir immer unter die Kokosmakronen legten beim Plätzchenbacken vor Weihnachten.
    Als wir später bei uns zu Hause alle zusammen an der großen Tafel saßen und die besten Rouladen der Welt, die von Mama, aßen, musste ich noch einmal an das Netz denken, das die Kinder geknüpft hatten, und daran, was der Pfarrer darüber gesagt hatte. Wir hier waren auch so ein Netz. Mit allen hier am Tisch verband mich etwas, dachte ich stolz.
    Am Montag nach der Kommunion hatten wir schulfrei, weil morgens noch ein Gottesdienst stattfand. Papa hatte sich sogar extra einen Tag frei genommen, damit Mama, Papa und ich zusammen frühstücken und danach gemeinsam in die Kirche gehen konnten. Als wir aus der Kirche zurückkamen, schauten Mama und ich uns noch einmal in aller Ruhe die Geschenke an, die ich am Tag zuvor bekommen hatte. Mama und Papa hatten mir ein Gebetbuch geschenkt. Es war in weißes Leder gebunden. Auf der Vorderseite war ein goldener Rahmen, in dem mit goldener Schrift Gebetbuch stand. Die Ränder der Seiten hießen »Schnitt«, hatte Mama mir erklärt, sie waren auch golden. Von Oma Anna hatte ich ein wunderschönes silbernes Armband bekommen, mit kleinen, lilafarbenen Perlen daran. Die Perlen waren echt und das Armband wertvoll, hatte Oma Anna gesagt. Ich musste gut darauf

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