Geschichte der deutschen Sprache
ausgesprochen werden. Auch im Mittelhochdeutschen wird noch auf Pergament geschrieben; man verwendet dabei die sog. Gotische Buchschrift. In den jüngeren Ausgaben mittelhochdeutscher Literatur, die seit dem 19. Jahrhundert aufgelegt werden, erscheint die Schreibweise der Texte jedoch gegenüber den ursprünglichen Quellen erheblich vereinheitlicht, insbesondere im Hinblick auf die Schreibung der Umlaute (
æ
,
œ
, und
iu
) und der langen Vokale (
â
,
ê
,
î
,
ô
und
û
) sowieden Gebrauch von
s
und
z
sowie
f
und
v
. Diese normalisierte Schreibung des Mittelhochdeutschen stellt das Ergebnis germanistischer Bemühungen um eine nach sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen homogenisierte Edition von Texten dar und hat durchaus ihre philologische Berechtigung, da sie dem überregionalen Ausgleich mundartlicher Besonderheiten in Lautung, Wortschatz und Grammatik innerhalb der mittelhochdeutschen Dichtung Rechnung trägt. Sie ist und bleibt jedoch eine Entwicklung der Neuzeit und gibt nicht die tatsächlichen Laut- und Schriftverhältnisse des Mittelalters wieder.
Auch in der frühen Neuzeit ist keine Vereinheitlichung der Schreibung festzustellen – im Gegenteil: Die große Variabilität der Schreibung im Frühneuhochdeutschen mag sogar noch diejenige der mittelalterlichen Zeit übertreffen. Dies gilt insbesondere für die Kennzeichnung der Vokallänge durch sog. Vokalverdoppelung oder Dehnungszeichen, den Gebrauch der Buchstaben
i
,
j
und
y
sowie
u
und
v
, der oftmals nicht nach den entsprechenden Lauten, sondern nach der Stellung im Wort erfolgt. Charakteristisch für die mittel- wie dann auch die frühneuhochdeutsche Schreibung sind zum einen Kürzungszeichen wie der Nasalstrich (etwa in
sagē
für
sagen
) oder der Haken (etwa in
wass’
für
Wasser
) und zum anderen Häufungen von Konsonanten (beispielsweise bei
thier
,
wortt
oder
witcz
), die sich vor allem im Barock großer Beliebtheit erfreuen und zu recht abenteuerlichen Schreibungen führen können (zum Beispiel
wherdenn
). Silbentrennung und Interpunktion, meist bestehend aus Punkten und Querstrichen (Virgeln), sind in der frühen Neuzeit noch gar nicht geregelt und folgen jeweils den individuellen Bedürfnissen nach sprachlicher Strukturierung bei den Schreibenden. Die zunehmende Vielfalt an Schreibungen im Frühneuhochdeutschen mag zunächst erstaunen, lassen doch vielleicht die Entdeckung und Einführung des Buchdrucks um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert eher eine Vereinheitlichung der verschiedenartigen Schreibweisen vermuten. Jedoch ist die Zeit des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit unter anderem durch zahlreiche natürliche Katastrophen, eine wachsende soziale Verunsicherung, ein zunehmendes Ungleichgewichtder politischen Mächte sowie das weitgehende Fehlen einer literarischen Kultur gekennzeichnet, die eine überregionale Vereinheitlichung der Schreibung eher behindern.
Und dennoch lassen sich in den Quellentexten der frühen Neuzeit neben der Einführung weiterer Interpunktionszeichen (wie Komma, Frage- und Ausrufezeichen seit dem 17. Jahrhundert) mindestens zwei Tendenzen zu einer Vereinheitlichung der Schreibung feststellen: Die eine besteht in der systematischen Kennzeichnung von Umlauten, die andere in der weit reichenden Einführung der Großschreibung von Substantiven. Von einer echten Normierung der Rechtschreibung kann aber erst seit dem 18. Jahrhundert die Rede sein, in dem die Schreibung zur Zeit der Aufklärung von Gelehrten wie Adelung und Gottsched nach bestimmten Prinzipien festgelegt wird und dabei breite Anerkennung findet; zu diesen Prinzipien gehören: die möglichst eindeutige Zuordnung von Lauten und Buchstaben (Lautprinzip), die insbesondere zur Abschaffung der barocken Konsonantenhäufungen führt; die Erkennbarkeit des Wortstammes bei veränderter Lautung, wonach beispielsweise
Wächter
nach
wachen
mit
a
und nicht mit
e
geschrieben wird (etymologisches Prinzip); oder die Unterscheidung von Homonymen, also von gleich klingenden Wörtern mit vollkommen unterschiedlichen Bedeutungen (wie etwa im Falle von
wieder
und
wider
oder von
Mohr
und
Moor
).
Trotz der Normierung, die die Schreibung des Deutschen im 18. Jahrhundert erfährt, setzt sich die Diskussion um eine richtige Schreibweise im 19. Jahrhundert fort, da gerade das etymologische und das Lautprinzip zu verschiedenen Schreibweisen führen und somit unterschiedliche Auffassungen über die Schreibrichtigkeit provozieren. Einer der prominentesten
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