Geschichte der deutschen Sprache
Hause
,
Phantasie
neben
Fantasie
,
Coupé
neben
Kupee
und viele andere mehr). Einige Neuregelungen sind aber in der zweiten Reform verbindlich geblieben – so etwa die Verpflichtung, drei gleich lautende und dabei aufeinander folgende Konsonanten nicht wie bisher auf zwei zu reduzieren (vgl.
Flussschifffahrt
statt
Flußschiffahrt
). Die neue deutsche Rechtschreibung ist hiernach durch zwei wesentliche Tendenzen gekennzeichnet: Zum einen haben sich dieRegeln verändert, ohne spürbar zu einer Vereinfachung der Rechtschreibung beizutragen; zum anderen hat sich die Zahl an alternativen Schreibungen deutlich erhöht. Beides erinnert an frühere Zeiten, in denen die Rechtschreibung im Deutschen weit weniger geordnet erscheint als im 20. Jahrhundert, und erweist sich aus sprachdidaktischer Sicht als wenig hilfreich: Es sind vor allem unsere Schülerinnen und Schüler, die die Rechtschreibreform ausbaden müssen, da sie sich ohne erkennbare Erleichterungen in der Schule daran zu halten haben. Eine weitere Reform wird sicher folgen.
Fazit
Schreibe, wie du sprichst!?
– Mit der Zweiten Lautverschiebung, der Auslautverhärtung, diversen Mono- und Diphthongierungen, der Abschwächung unbetonter Nebensilben sowie zahlreichen weiteren Entwicklungen im Bereich der Mit- und Selbstlaute hat das Deutsche vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart viele Veränderungen erfahren. Eine überregional gültige Aussprachenorm wird jedoch erst am Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt und in der Nachkriegszeit wieder gelockert. Die Schreibung des Deutschen, die sich von Beginn an der lateinischen Buchstabenschrift bedient, ist bis in das 18. Jahrhundert von zahlreichen Varianten geprägt, die nicht allein auf die regional unterschiedlichen Ausspracheverhältnisse, sondern auch auf einander widersprechende Rechtschreibprinzipien zurückzuführen sind. Die Regelungen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sowie die Reformversuche um die Jahrtausendwende spiegeln diese Probleme wider, ohne sie letztlich befriedigend zu lösen.
3. Grammatik – richtungsweisend?
3.1 Verben (Konjugation)
Die Formbildung der Verben (Konjugation) umfasst heute die folgenden grammatischen Klassen (Kategorien): Person und Numerus (Zahl), Tempus (Zeit), Modus (Sichtweise) und Genus Verbi (Sichtrichtung). Dies ist zu Beginn der deutschen Sprachgeschichte ebenfalls so. Doch haben sich seither zahlreiche Veränderungen ergeben, die zum einen die Bildungsweise und zum anderen den Umfang der einzelnen Kategorien selbst betreffen. Mit dieser Entwicklung sind zudem einige wichtige Veränderungen in der Verbindlichkeit solcher Bildungsweisen verbunden.
Das Deutsche unterscheidet damals wie heute drei Personen (Sprecher, Angesprochener und Besprochenes) in jeweils zwei Numeri (Singular und Plural; der indoeuropäische Dualis ist nur noch in Relikten erhalten). An dieser Zahl ändert sich im Laufe der Geschichte nichts, wohl aber an deren Kennzeichnung: Denn während die Unterscheidung zwischen Ein- und Mehrzahl stets deutlich durch Flexionsformen markiert wird, fällt die Kennzeichnung der Person oft der Schwächung unbetonter Nebensilben zum Opfer. Dies lässt das folgende Beispiel deutlich werden:
Althochdeutsch
Mittelhochdeutsch
Neuhochdeutsch
1. Person
mahh ōn
mach en
wir
mach en
2. Person
mahh ōt
mach et
ihr
mach t
3. Person
mahh ōnt
mach ent
sie
mach en
Im Althochdeutschen werden im Plural alle drei Personen durch Formbildung am Wortende klar von einander unterschieden, wobei mit dem langen
ō
volle Selbstlaute erscheinen. Im Mittelhochdeutschen sind diese vollen Vokale bereits zu einem kurzen
e
vereinfacht; die drei Formen sind jedoch noch verschieden. Im Neuhochdeutschen greift die lautliche Entwicklung auch auf die Mitlaute über und führt dazu, dass die Kennzeichnungen der ersten und der dritten Person nunmehr gleich lauten. Um dennoch alle drei Personen hinreichend voneinander unterscheiden zu können, wird der Gebrauch von diesen zusammengefallenen Formen seit dem frühen Neuhochdeutschen zunehmend durch den von Pronomen ergänzt.
In der deutschen Gegenwartssprache werden heute sechs Tempora unterschieden: Präsens (Gegenwart), Präteritum (einfache Vergangenheit), Perfekt (abgeschlossene Vergangenheit), Plusquamperfekt (abgeschlossene oder: Vorvergangenheit), Futur I (einfache Zukunft) sowie Futur II (abgeschlossene Zukunft). Im Gegensatz zur Person zeigt das Tempus im Verlauf der Sprachgeschichte nicht allein Veränderungen in Bezug auf
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