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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Sozialdemokraten. Hilferding und Kautsky m Deutschland, Max Adler in Österreich schlugen vor, Demokratie und Sowjetsystem zu "kombinieren" und die Arbeitersowjets in die Verfassung einzubeziehen. Das hätte bedeutet, den potentiellen oder offenen Bürgerkrieg in einen Bestandteil des Staatsregimes zu verwandeln. Eine kuriosere Utopie läßt sich nicht ausdenken. Zu ihrer einzigen Rechtfertigung dient in deutschen Landen vielleicht die alte Tradition: schon die Württemberger Demokraten von 1848 wollten eine Republik mit einem Herzog an der Spitze.
    Widerspricht die Erscheinung der Doppelherrschaft, bisher nicht genügend bewertet, der Marx'schen Staatstheorie, die die Regierung als das Exekutivkomitee der herrschenden Klasse ansieht? Das wäre dasselbe, als wollte man sagen: widerspricht das Schwanken der Preise unter dem Einfluß von Nachfrage und Angebot der Werttheorie? Widerlegt die Selbstaufopferung des Weibchens, das sein Junges verteidigt, die Theorie vom Kampf ums Dasein? Nein, in diesen Erscheinungen finden wir nur eine komplizierte Kreuzung der gleichen Gesetze. Wenn der Staat die Organisation der Klassenherrschaft ist, die Revolution aber die Ablösung der herrschenden Klasse, so muß der Übergang der Macht von der einen Klasse zur anderen notwendigerweise widerspruchsvolle Staatszustände schaffen, vor allem in Form der Doppelherrschaft. Das Verhältnis der Klassenkräfte ist keine mathematische Größe, die sich von vornherein berechnen läßt. Wenn das alte Regime aus dem Gleichgewicht geschleudert ist, kann das neue Verhältnis der Kräfte sich nur als Resultat ihrer gegenseitigen Nachprüfung im Kampf ergeben. Das eben ist die Revolution.
    Es könnte scheinen, daß diese theoretische Exkursion uns von den Ereignissen des Jahres 1917 abgelenkt hat. In Wirklichkeit führt sie uns zu ihrem innersten Kern. Gerade um das Problem der Doppelherrschaft drehte sich der dramatische Kampf der Parteien und Klassen. Nur von der theoretischen Warte herab kann man sie ganz übersehen und richtig begreifen.

Kapitel 12: Das Exekutivkomitee
    Was am 27. Februar im Taurischen Palais unter dem Namen Exekutivkomitee des Sowjets der Arbeiterdeputierten entstanden war, hatte im wesentlichen wenig mit diesem Namen gemein. Der Sowjet der Arbeiterdeputierten von 1905, der Stammvater des Systems, war aus dem Generalstreik hervorgegangen. Er repräsentierte unmittelbar die Massen im Kampfe. Die Streikführer wurden Deputierte des Sowjets. Die Auswahl des Personenbestandes vollzog sich im Feuer. Das führende Organ wurde zur weiteren Leitung des Kampfes vom Sowjet gewählt. Gerade das Exekutivkomitee von 1905 war es gewesen, das den bewaffneten Aufstand auf die Tagesordnung gestellt hatte.
    Die Februarrevolution siegte, dank dem Aufstand der Regimenter, bevor noch die Arbeiter Sowjets geschaffen hatten. Das Exekutivkomitee bildete sich eigenmächtig vor dem Sowjet, unabhängig von den Betrieben und Regimentern, nach dem Siege der Revolution. Wir sehen hier die klassische Initiative der Radikalen, die beim revolutionären Kampfe abseits stehen, aber bereit sind, seine Früchte zu ernten. Die wirklichen Arbeiterführer verließen die Straßen noch nicht, sie entwaffneten die einen, bewaffneten die anderen, befestigten den Sieg. Die Weiterblickenden unter ihnen waren durch die Nachrichten von der Entstehung irgendeines Sowjets der Arbeiterdeputierten im Taurischen Palais sogleich beunruhigt. Wie die liberale Bourgeoisie in Erwartung der Palastrevolution, die irgendwer vollziehen sollte, im Herbst 1916 eine Reserveregierung vorbereitet hatte, um sie im Falle des Gelingens dem neuen Zaren aufzudrängen, so hatten auch die radikalen Intellektuellen im Augenblick des Februarsieges ihre Reserve-Unterregierung gebildet. Und da sie aile, wenigstens in der Vergangenheit, mit der Arbeiterbewegung in Verbindung gewesen und mit deren Traditionen sich zu decken geneigt waren, gaben sie ihrem Kinde den Namen Exekutivkomitee des Sowjets. Das war eine jener halb beabsichtigten Fälschungen, an denen die Geschichte, darunter auch die Geschichte der Volksaufstände, reich ist. Bei einer revolutionären Wendung der Ereignisse und einem Riß in der Nachfolge greifen jene "gebildeten" Schichten, denen es bevorsteht, sich der Macht anzuschließen, willig zu Namen und Symbolen, die mit den heroischen Erinnerungen der Massen verbunden sind. Worte verschleiern oft das Wesen der Dinge, besonders, wenn dies die Interessen einflußreicher Schichten

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