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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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russische "Demokratie" einen Ausweg aus der Doppelherrschaft suchte, sah sie ihn im eigenen Rücktritt von der Macht. Ebendieses nannten wir das Paradoxon der Februarrevolution.
    Eine gewisse Analogie kann man eventuell in dem Verhalten der deutschen Bourgeoisie in bezug auf die Monarchie im Jahre 1848 finden. Doch ist diese Analogie nicht vollständig. Die deutsche Bourgeoisie wollte zwar um jeden Preis auf der Grundlage einer Verständigung die Macht mit der Monarchie teilen, doch war sie nicht restlos im Besitze der Macht und wollte sie auch keinesfalls völlig der Monarchie abtreten. "Die preußische Bourgeoisie war nomineller Besitzer der Herrschaft, sie zweifelte keinen Augenblick, daß die Mächte des alten Staates ohne Hinterhalt sich ihr zu Gebote gestellt und in ebenso viele devote Ableger ihrer eigenen Allmacht verwandelt hätten" (Marx und Engels). Die russische Demokratie von 1917, die seit dem ersten Augenblick des Umsturzes die ganze Macht innehatte, strebte nicht einfach danach, sie mit der Bourgeoisie. zu teilen, sondern dieser den Staat vollständig auszuliefern. Das könnte wohl bedeuten, daß die offizielle russische Demokratie im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts Zeit gehabt hatte, sich politisch stärker zu zersetzen als die deutsche liberale Bourgeoisie der Mitte des 19. Es ist dies auch völlig gesetzmäßig, denn es bildet die Kehrseite jenes Aufstieges, den in diesen Jahrzehnten das Proletariat erlebte, das den Platz der Handwerker Cromwells und der Sansculotten Robespierres eingenommen hat.
    Betrachtet man aber die Sache tiefer, so zeigt die Doppelherrschaft der Provisorischen Regierung und des Exekutivkomitees den Charakter einer bloßen Widerspiegelung. Prätendent auf die neue Macht konnte nur das Proletariat sein. Zaghaft sich auf die Arbeiter und Soldaten stützend, waren die Versöhnler gezwungen, der doppelten Buchführung der Zaren und der Propheten Beihilfe zu leisten. Die Doppelherrschaft der Liberalen und Demokraten spiegelte nur die vorläufig unterirdische Doppelherrschaft der Bourgeoisie und des Proletariats wider. Wenn die Bolschewiki die Versöhnler von der Spitze der Sowjets verdrängen werden - was nach einigen Monaten geschieht -, dann wird die unterirdische Doppelherrschaft nach außen dringen, und dies wird der Vorabend der Oktoberrevolution sein. Bis zu diesem Augenblick wird die Revolution in der Welt politischer Widerspiegelungen leben. Sich durch die Kannegießerei der sozialistischen Intelligenz brechend, verwandelte sich die Doppelherrschaft aus einer Etappe des Klassenkampfes in eine regulative Idee. Gerade das stellte sie ins Zentrum der theoretischen Diskussion. Nichts geht verloren. Der widerspiegelnde Charakter der Februar-Doppelherrschaft erlaubte uns, jene Etappen der Geschichte besser zu verstehen, in denen die Doppelherrschaft als vollblütige Episode im Kampfe zweier Regime hervortritt. So ermöglicht das reflektierte und kraftlose Licht des Mondes, wichtige Schlußfolgerungen über das Sonnenlicht zu machen.
    In der unermeßlich höheren Reife des russischen Proletariats bestand eben, verglichen mit den Stadtmassen der alten Revolutionen, die grundlegende Eigenart der Russischen Revolution, die anfangs zum Paradoxon einer halb gespenstischen Doppelherrschaft geführt und dann den Abschluß der realen Doppelherrschaft zugunsten der Bourgeoisie verhindert hat. Denn die Frage stand so: entweder erobert die Bourgeoisie tatsächlich den alten Staatsapparat und erneuert ihn für ihre eigenen Ziele, wobei die Sowjets verschwinden müssen, oder die Sowjets werden zur Grundlage eines neuen Staates, wobei sie nicht nur den alten Apparat, sondern auch die Herrschaft jener Klassen, denen er gedient, liquidieren. Die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre hielten den Kurs auf die erste Lösung. Die Bolschewiki auf die zweite. Die unterdrückten Klassen, denen es, nach Marats Worten, in der Vergangenheit an Wissen, Fertigkeit und Führung gefehlt hat, um das von ihnen begonnene Werk zu Ende zu bringen, waren in der Russischen Revolution des 20. Jahrhunderts mit dem einen, dem anderen und dem dritten ausgerüstet. Es siegten die Bolschewiki.
    Ein Jahr nach ihrem Siege wiederholte sich die gleiche Frage, bei einem anderen Kräfteverhältnis, in Deutschland. Die Sozialdemokratie hielt den Kurs auf Errichtung der demokratischen Macht der Bourgeoisie und Liquidierung der Sowjets. Luxemburg und Liebknecht nahmen den Weg auf die Diktatur der Sowjets. Es siegten die

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