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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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erfordern. Die riesige Autorität, des Exekutivkomitees stützte sich schon am Tage seiner Entstehung auf seine angebliche Nachfolge des Sowjets von 1905. Das von der ersten chaotischen Versammlung des Sowjets bestätigte Komitee übte dann entscheidenden Einfluß sowohl auf die Zusammensetzung des Sowjets wie auf dessen Politik aus. Dieser Einfluß war um so konservativer, als es eine natürliche Auslese revolutionärer Vertreter, die durch die glühende Atmosphäre des Kampfes gewährleistet wird, nicht mehr gab. Der Aufstand lag bereits im Rücken, alle berauschten sich am Siege, machten Anstalten, sich auf neue Weise einzurichten, die Seelen waren weich, teils auch die Köpfe. Es waren Monate neuer Konflikte und Kämpfe nötig, unter neuen Bedingungen und der sich daraus ergebenden Menschenumschichtung, damit die Sowjets aus Organen, die den Sieg nachträglich gekrönt hatten, zu wahrhaften Organen des Kampfes und der Vorbereitung eines neuen Aufstandes wurden. Wir heben diese Seite der Sache um so mehr hervor, als sie bis jetzt völlig im Schatten geblieben ist.
    Jedoch nicht nur die Entstehungsbedingungen des Exekutivkomitees und des Sowjets bestimmten deren gemäßigten und versöhnlerischen Charakter; es waren tiefere und nachhaltigere Ursachen vorhanden, die sich in gleicher Richtung auswirkten.
    Soldaten gab es in Petrograd über 150.000 Mann. Arbeiter und Arbeiterinnen aller Kategorien mindestens die vierfache Zahl. Und trotzdem kamen auf zwei Arbeiterdelegierte im Sowjet fünf Soldatendelegierte. Die Normen der Vertretung hatten einen sehr dehnbaren Charakter, man kam den Soldaten auf jede Weise entgegen. Während die Arbeiter einen Vertreter auf tausend wählten, schickten kleinere Truppenteile häufig zwei. Das graue Soldatenbuch wurde der Grundton der Sowjets.
    Aber auch die Zivilisten waren lange nicht alle durch Arbeiter gewählt worden. Nicht wenige Menschen gerieten auf persönliche Einladung hin, durch Protektion oder einfach durch ihre Verschlagenheit in den Sowjet, radikale Advokaten und Ärzte, Studenten, Journalisten, die verschiedene problematische Gruppen und am häufigsten den eigenen Ehrgeiz vertraten. Diese offenbare Verfälschung des Charakters des Sowjets wurde von den Leitern gerne geduldet, die nicht abgeneigt waren, die allzu herbe Essenz der Fabriken und Kasernen mit dem lauwarmen Wässerchen des gebildeten Spießertums zu verdünnen. Viele dieser zufällig Daherkommenden, Abenteuersüchtigen, Usurpatoren und an die Tribüne gewöhnten Schwätzer verdrängten mit der Autorität ihrer Ellenbogen für lange die schweigsamen Arbeiter und die unentschlossenen Soldaten.
    Wenn sich die Sache schon in Petrograd so verhielt, kann man sich leicht vorstellen, wie es in der Provinz aussah, wo der Sieg ganz ohne Kampf gekommen war. Das ganze Land wimmelte von Soldaten. Die Garnisonen von Kiew, Helsingfors und Tiflis standen zahlenmäßig hinter Petrograd nicht zurück, in Saratow, Samara, Tambow, Omsk standen je 70.000 bis 80.000 Soldaten, in Jaroslaw, Jekaterinoslaw, Jekaterinburg je 60.000, in einer ganzen Reihe von Städten je 50.000, 40.000 und 30.000. Die Sowjetvertretung war in den verschiedenen Orten verschieden aufgebaut, wies aber überall den Soldaten eine privilegierte Stellung zu. Politisch wurde dies hervorgerufen durch das Bestreben der Arbeiter selbst, den Soldaten so weit wie möglich entgegenzukommen. Ebenso gern erwiesen die Führer den Offizieren Entgegenkommen. Außer der bedeutenden Zahl der Leutnants und Fähnriche, die in der ersten Zeit von Soldaten gewählt wurden, bewilligte man häufig, vor allem in der Provinz, dem Kommandobestand besondere Vertreter. Im Resultat hatte das Militär in vielen Sowjets die überwältigende Mehrheit. Die Soldatenmassen, die noch keine Zeit gehabt hatten, sich eine politische Physiognomie anzueignen, bestimmten durch ihre Vertreter die Physiognomie der Sowjets.
    Jede Vertretung verbirgt ein Element des Mißverständnisses in sich. Es ist besonders groß am Tage nach einem Umsturz. Als Deputierte politisch unbeholfener Soldaten figurierten in der ersten Zeit den Soldaten und der Revolution völlig fremde Personen, allerhand Intellektuelle und Halbintellektuelle, die sich in den Hinterlandsgarnisonen versteckt hielten und deshalb als extreme Patrioten auftraten. So entstand das Auseinanderklaffen der Stimmung der Kaserne und der der Sowjets. Der Offizier Stankewitsch, dem die Soldaten seines Bataillons nach dem Umsturze finster und

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