Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
sprechen mußte. Indem sie die Rs-volution in Worten akzeptierten und der Provisorischen Regierung den Eid leisteten, unterschoben die zaristischen Marschälle einfach ihre eigenen Sünden der gefallenen Dynastie. Gnädig stimmten sie dem zu, daß Nikolaus zum Sündenbock für die ganze Vergangenheit gemacht wurde. Aber weiter - nicht einen Schritt! Wie sollten sie auch begreifen, daß das moralische Wesen der Revolution in der Vergeistigung jener Menschenmasse bestand, auf deren geistiger Unbeweglichkeit ihr ganzes Wohlergehen beruhte. Der zum Befehlshaber der Front ernannte Denikin erklärte Minsk: "Ich akzeptiere die Revolution ganz und vorbehaltlos. Doch betrachte ich die Revolutionierung der Armee und das Hineintragen von Demagogie in ihre Reihen als verderblich für das Land." Eine klassische Formel des Generalsstumpfsinns! Was die Durchschnittsgenerale betrifft, so verlangten sie, nach dem Ausdruck Salesskis, nur eines: "Rührt uns nur nicht an - alles andere ist uns gleichgültig!" Die Revolution jedoch konnte sie nicht unangerührt lassen. Abkömmlinge privilegierter Klassen, konnten sie nichts gewinnen, aber vieles verlieren. Ihnen drohte nicht nur der Verlust der Kommandoprivilegien, sondern auch des Bodenbesitzes. Unter dem Deckmantel der Loyalität gegen die Provisorische Regierung entfesselten die reaktionären Offiziere einen um so erbitterteren Kampf gegen die Sowjets. Als sie sich davon überzeugten, daß die Revolution unaufhaltsam in die Soldatenmassen und die Erbgüter drang, erblickten sie darin einen unerhörten Treubruch - seitens Kerenskis, Miljukows und sogar Rodsjankos. Von den Bolschewiken nicht erst zu sprechen.
Die Existenzbedingungen der Kriegsflotte bargen in viel höherem Maße als die der Armee ständig lebendige Keime des Bürgerkrieges in sich. Das Leben der Matrosen in den Stahlkisten, in die man sie gewaltsam für einige Jahre hineinpferchte, unterschied sich sogar in der Verpflegung wenig vom Leben der Zuchthäusler. Und daneben die Offiziere, meist aus privilegierten Kreisen, die den Seedienst freiwillig zu ihrem Beruf erwählt hatten, das Vaterland mit dem Zaren, den Zaren mit sich identifizierten und im Matrosen den wertlosesten Bestandteil des Kriegsschiffes erblickten. Zwei einander fremde Welten lebten in enger Berührung, ohne einander aus den Augen zu lassen. Die Schiffe der Flotte hatten ihren Standort in industriellen Hafenstädten mit großer Arbeiterzahl, die für Bau und Reparaturen der Schiffe notwendig war. Dazu gab es unter dem Maschinenpersonal und dem technischen Dienst auf den Schiffen selbst nicht wenig qualifizierte Arbeiter. Das waren die Bedingungen, die die Kriegsflotte in eine revolutionäre Mine verwandelten. In den Umwälzungen und militärischen Aufständen aller Länder bildeten die Matrosen den explosivsten Stoff; fast stets pflegten sie bei der ersten Gelegenheit mit ihren Offizieren grausam abzurechnen. Die russischen Matrosen bildeten keine Ausnahme.
In Kronstadt war die Umwälzung von einem blutigen Racheausbruch gegen die Kommandeure begleitet, die aus Entsetzen vor der eigenen Vergangenheit versucht hatten, die Revolution vor den Matrosen zu verbergen. Als eines der ersten Opfer fiel der Flottenkommandierende, Admiral Wieren, der wohlverdienten Haß genoß. Ein Teil des Kommandobestandes wurde von den Matrosen verhaftet. Die in Freiheit belassenen Offiziere wurden entwaffnet.
In Helsingfors und Sweaborg ließ Admiral Nepenin bis zur Nacht des 4. März keine Nachrichten aus dem aufständischen Petrograd durch und bedrohte Matrosen und Soldaten mit Repressalien. Um so wütender entbrannte hier der Aufstand, der einen Tag und eine Nacht dauerte. Viele Offiziere wurden verhaftet. Die verhaßtesten ließ man unter dem Eis schwimmen. "Urteilt man nach Skobeljews Erzählung über das Verhalten der Vorgesetzten in Helsingfors und bei der Flotte", schreibt der mit der "finsteren Soldateska" keinesfalls nachsichtige Suchanow, "so muß man sich nur wundern, daß die Exzesse hier so geringfügig waren."
Aber auch bei den Landtruppen blieb es nicht ohne blutige Abrechnung, die sich in einigen Zwischenräumen abspielte. Anfangs war es Rache für die Vergangenheit, für die niederträchtigen Peinigungen der Soldaten. An Erinnerungen, brennend wie Wunden, bestand kein Mangel. Seit 1915 war in der zaristischen Armee offiziell die Disziplinarstrafe der Auspeitschung eingeführt. Die Offiziere ließen eigenmächtig Soldaten, nicht selten Familienväter,
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