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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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in verschiedenen Variationen. Der Fähnrich Krylenko, ein alter Revolutionär und später Oberstkommandierender bei den Bolschewiki, bezeugt, daß die Soldaten in jener Zeit die Frage des Krieges durch die Formel lösten: "Die Front halten, keinen Angriff unternehmen." In einer feierlichen, aber völlig aufrichtigen Sprache hieß das auch, die Freiheit verteidigen.
    "Man darf die Bajonette nicht in die Erde stecken!" Unter dem Einfluß verworrener und widerspruchsvoller Stimmungen weigerten sich die Soldaten in jener Zeit nicht selten, die Bolschewiki auch nur anzuhören. Sie glaubten, vielleicht unter dem Einfluß einzelner ungeschickter Reden, die Bolschewiki kümmerten sich nicht um die Verteidigung der Revolution und könnten die Regierung hindern, Frieden zu schließen. Darin bekräftigten die sozialpatriotischen Zeitungen und Agitatoren sie immer mehr. Aber wenn sie auch mitunter die Bolschewiki am Sprechen hinderten, lehnten die Soldaten doch von den ersten Tagen der Revolution an jeden Gedanken an eine Offensive entschieden ab. Den Hauptstadtpolitikern erschien dies als eine Art Mißverständnis, das man durch gebührenden Druck auf die Soldaten beseitigen könnte. Die Agitation für die Fortsetzung des Krieges wuchs in außerordentlichem Umfange an. Die bürgerliche Presse schilderte in Millionen von Exemplaren die Aufgaben der Revolution im Lichte des Krieges bis zum Siege. Die Versöhnler sangen bei dieser Agitation mit, anfangs leise, dann kühner. Der Einfluß der Bolschewiki, sehr schwach im Augenblick der Umwälzung, verkleinerte sich noch, als die Tausende Arbeiter, die wegen Streiks an die Front geschickt worden waren, die Reihen der Armee verließen. Das Streben nach Frieden fand auf diese Weise keinen offenen und klaren Ausdruck gerade dort, wo es am gespanntesten war. Den Kommandeuren und Kommissaren, die tröstende Illusionen suchten, ermöglichte diese Situation, sich über den wirklichen Stand der Dinge hinwegzutäuschen. In Artikeln und Reden aus jener Zeit gibt es häufig Behauptungen, die Soldaten verweigerten die Offensive angeblich ausschließlich aus falscher Deutung der Formel "ohne Annexionen und Kontributionen" heraus. Die Versöhnler wurden nicht müde, zu beweisen, daß der Verteidigungskrieg den Angriff nicht ausschließe, ihn manchmal sogar erfordere. Als ob es um die Scholastik ging! Eine Offensive bedeutete Wiederaufnahme des Krieges. Das abwartende Halten der Front bedeutete Waffenstillstand. Die soldatische Theorie und Praxis des Verteidigungskrieges war die Form der stillschweigenden und späterhin auch offenen Verständigung mit den Deutschen: "Laßt uns in Ruhe, und wir werden euch in Ruhe lassen." Mehr vermochte die Armee dem Krieg schon nicht zu geben.
    Die Soldaten fielen auf die kriegerischen Ermahnungen. um so weniger herein, als die reaktionären Offiziere unter dem Schein der Vorbereitung der Offensive sich offensichtlich bemühten, die Zügel stramm zu ziehen. Ein unter Soldaten üblicher Satz war: "Das Bajonett gegen den Deutschen, den Kolben gegen den inneren Feind." Das Bajonett bedeutete hier jedenfalls die Verteidigung. An die Meerengen dachten die Soldaten in den Schützengräben nicht. Die Friedenssehnsucht bildete eine mächtige, unterirdische Strömung, die bald nach außen dringen sollte.
    Ohne zu leugnen, daß in der Armee schon vor der Revolution negative Erscheinungen "beobachtet" worden waren, versuchte Miljukow dennoch längere Zeit nach der Umwälzung zu behaupten, die Armee wäre fähig gewesen, die ihr von der Entente vorgeschriebenen Aufgaben zu erfüllen. "Die bolschewistische Propaganda", schrieb er in der Eigenschaft eines Historikers, "drang nicht sogleich an die Front. Den ersten Monat oder die ersten anderthalb Monate nach der Revolution blieb die Armee gesund." Die ganze Frage wird in der Ebene der Propaganda betrachtet, als wäre mit dieser der historische Prozeß erschöpft. Unter dem Schein des verspäteten Kampfes gegen die Bolschewiki, denen er eine mystische Kraft zuschreibt, führt Miljukow einen Kampf gegen Tatsachen. Wir haben bereits gesehen, wie es mit der Armee in Wirklichkeit bestellt war. Jetzt wollen wir sehen, wie die Kommandeure selbst ihre Kampffähigkeit in den ersten Wochen und sogar Tagen nach der Umwälzung einschätzten.
    Am 6. März teilt der Oberstkommandierende der Nordfront, General Russki, dem Exekutivkomitee mit, die Soldaten verweigerten den Vorgesetzten vollständig den Gehorsam; die Ankunft populärer Führer

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