Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
der Darstellung des Offiziers jedoch, der am 25. Februar, das heißt zwei Tage vor der Umwälzung, sie auszubilden begann, war das Reservematerial unter jeder Kritik. Nicht die geringste Kampflust war in diesen gleichgültigen blauen, braunen und grauen Augen ... "All ihre Gedanken und ihre Wünsche waren einzig und allein - Friede."
Solche und ähnliche Zeugnisse gibt es nicht wenige. Die Revolution hat nur an den Tag gebracht, was vor ihr entstanden war. Die Parole "Nieder mit dem Krieg" wurde deshalb eine der Hauptparolen der Februartage. Sie ging aus von den Frauendemonstrationen, von den Arbeitern des Wyborger Bezirks und den Gardekasernen.
Anfang März, bei den Rundreisen der Deputierten an der Front, wurde ihnen von Soldaten, besonders den älteren Jahrgängen, immer wieder die Frage gestellt: "Und was sagt man über den Boden?" Die Deputierten antworteten ausweichend, die Bodenfrage werde in der Konstituierenden Versammlung gelöst werden. Doch da ertönte eine Stimme, die den geheimen Gedanken aller verriet: "Was Boden! Wenn ich nicht mehr da sein werde, brauche ich auch keinen Boden." Das war der Ausgangspunkt des Soldatenprogramms der Revolution: zuerst Frieden, dann Boden.
Auf der Allrussischen Sowjetkonferenz, Ende März, wo es nicht wenige patriotische Phrasen gab, berichtete ein Delegierter, der unmittelbar die Soldaten der Schützengräben vertrat, mit großer Aufrichtigkeit, wie die Front die Nachricht von der Revolution aufgenommen hatte: "Alle Soldaten sagten: Gott sei Dank, vielleicht wird es jetzt bald Frieden g3-ben." Die Schützengräben beauftragten diesen Delegierten, der Konferenz mitzuteilen: "Wir sind bereit, unser Leben für die Freiheit hinzugeben, aber dennoch, Genossen, wollen wir das Ende des Krieges." Das war eine lebendige Stimme der Wirklichkeit, besonders in der zweiten Hälfte der Botschaft. "Gedulden, - wir wollen's schon ein wenig, aber, daß die oben sich mit dem Frieden beeilen!"
Die zaristischen Truppen in Frankreich, das heißt in einer für sie völlig fremden Umgebung, waren von denselben Gefühlen bewegt und machten die gleichen Zersetzungsetappen durch wie die Armee in der Heimat. "Als wir hörten, daß der Zar abgedankt habe", erklärte in der Fremde ein älterer Soldat, ein bäuerlicher Analphabet, einem Offizier, "so dachten wir uns gleich, nun heißt es auch Schluß mit dem Kriege ... hat uns doch der Zar in den Krieg geschickt ... Was nützt mir Freiheit, wenn ich weiter in den Schützengräben faulen muß?" Diese echte Soldatenphilosophie ist nicht von außen hineingetragen worden: solche einfache und überzeugende Worte kann kein Agitator ausdenken.
Die Liberalen und die halbliberalen Sozialisten versuchten nachträglich, die Revolution als einen patriotischen Aufstand darzustellen. Am 11. März erklärte Miljukow französischen Journalisten: "Die Russische Revolution wurde gemacht, um die Hindernisse, die auf dem Wege zum Siege Rußlands standen, zu beseitigen." Hier geht Heuchelei Hand in Hand mit Selbstbetrug, obwohl, wie man annehmen kann, dabei immerhin die Heuchelei größer ist. Aufrichtige Reaktionäre sahen klarer. Von Struve, Panslawist deutscher Abstammung, rechtgläubiger Lutheraner und Monarchist marxistischer Herkunft, bezeichnete, wenn auch in der Sprache reaktionären Hasses, so doch genauer die wahren Quellen der Umwälzung. "Soweit an der Revolution Volksmassen, besonders Soldatenmassen beteiligt waren", schrieb er, "war sie kein patriotischer Ausbruch, sondern eine eigenmächtige pogromartige Demobilisierung und direkt gegen die Fortsetzung des Krieges gerichtet, das heißt, sie wurde des Kriegsabbruchs wegen unternommen."
Neben einem richtigen Gedanken enthalten diese Worte jedoch auch eine Verleumdung. Die pogromartige Demobilisierung erwuchs in Wirklichkeit aus dem Kriege selbst. Die Revolution hat sie nicht geschaffen, sondern im Gegenteil sogar unterbrochen. Die am Vorabend der Revolution außerordentlich häufige Desertion ließ in den ersten Wochen nach der Umwälzung nach. Die Armee wartete ab. In der Hoffnung, die Revolution werde Frieden bringen, war der Soldat bereit, die Front mit seiner Schulter noch zu stützen: andernfalls könnte ja die neue Regierung auch den Frieden nicht schließen.
"Die Soldaten äußern die bestimmte Ansicht", berichtet am 23. März der Chef einer Grenadierdivision, "daß wir uns nur verteidigen, nicht aber angreifen können." Militärische Rapporte und politische Berichte wiederholen diesen Gedanken
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