Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
bis zum Siege, an den die Liberalen nicht glaubten. Krieg bis zur Ermattung des Feindes verwandelte sich in Krieg zur Ermattung der Revolution. Mag sein, daß dies kein fertiger, im voraus in offiziellen Sitzungen beratener und erwogener Plan war. Aber das war auch nicht nötig. Der Plan ergab sich aus der gesamten vorangegangenen Politik des Liberalismus und aus der durch die Revolution geschaffenen Lage.
Gezwungen, den Weg des Krieges zu gehen, hatte Miljukow selbstverständlich keine Veranlassung, auf den Beuteanteil zu verzichten. Waren doch die Hoffnungen auf den Sieg der Alliierten ganz realer Natur und mit dem Eintritt Amerikas in den Krieg erheblich gestiegen. Allerdings war die Entente eines, und Rußland ein anderes. Die Führer der russischen Bourgeoisie hatten während des Krieges begreifen gelernt, daß der Sieg der Entente über die Zentralmächte bei der ökonomischen und militärischen Schwäche Rußlands unvermeidlich zu einem Sieg über Rußland werden müsse, das bei allen denkbaren Möglichkeiten geschlagen und geschwächt aus dem Krieg herausgehen würde. Dennoch beschlossen die liberalen Imperialisten, vor dieser Perspektive bewußt die Augen zu schließen. Es blieb ihnen auch nichts anderes übrig. Gutschkow hatte in seinem Kreise offen erklärt, daß nur ein Wunder Rußland retten könne, und die Hoffnung auf ein Wunder bilde sein, des Kriegsministers, Programm. Miljukow brauchte für die Innenpolitik den Mythos des Sieges. In welchem Maße er selber an ihn glaubte, ist unwesentlich. Aber hartnäckig behauptete er: Konstantinopel müsse uns gehören. Dabei verfuhr er mit dem ihm eigenen Zynismus. Am 20. März versuchte der russische Außenminister die Botschafter der Alliierten zu überreden, Serbien zu verraten, um mit diesem Preise den Verrat Bulgariens an die Zentralmächte zu erkaufen. Der französische Gesandte runzelte die Stirn. Miljukow aber bestand auf "der Notwendigkeit, von sentimentalen Erwägungen in dieser Frage abzusehen" und unter anderem auch von jenem Neoslawismus, den er seit der Niederwerfung der ersten Revolution gepredigt hatte. Nicht umsonst schrieb Engels noch im Jahre 1882 an Bernstein: "Worauf läuft die ganze russische panslawistische Scharlatanerie hinaus? Auf die Einnahme von Konstantinopel - auf weiter nichts."
Die noch gestern gegen die Hofkamarilla erhobenen Beschuldigungen des Germanophilentums und sogar der Käuflichkeit durch Deutschland wurden heute mit ihrer vergifteten Spitze gegen die Revolution gerichtet. Je weiter, um so kühner, lauter und frecher klang diese Note in den Reden und Artikeln der Kadettenpartei. Bevor er an die Eroberung der türkischen Gewässer ging, trübte der Liberalismus die Quellen und vergiftete die Brunnen der Revolution.
Bei weitem nicht alle liberalen Führer haben in der Frage des Krieges eine unversöhnliche Position eingenommen, jedenfalls nicht sogleich nach der Umwälzung. Viele befanden sich noch in der Atmosphäre der vorrevolutionären Stimmungen, die mit der Perspektive des Separatfriedens verbunden waren. Einzelne führende Kadetten erzählten es später ganz offenherzig. Nabokow hatte, nach seinem eigenen Geständnis, bereits am 7. März mit Regierungsmitgliedern Besprechungen über einen Separatfrieden. Einige Mitglieder des Kadettenzentrums versuchten kollektiv, ihren Führer von der Unmöglichkeit der Fortsetzung des Krieges zu überzeugen. "Mit der ihm eigenen kalten Präzision bemühte sich Miljukow, nach den Worten des Barons Nolde, zu beweisen, daß die Ziele des Krieges erreicht werden müßten." General Alexejew, der sich um diese Zeit den Kadetten näherte, unterstützte Miljukow und behauptete, "die Armee kann in Bewegung gebracht werden". Sie in Bewegung zu bringen, fühlte sich wohl dieser Generalstabsorganisator allen Unheils berufen.
Mancher Naivere unter den Liberalen und Demokraten begriff den Kurs Miljukows nicht und hielt diesen selbst für den Ritter der Treue gegen die Alliierten, für den Don Quichotte der Entente. Welcher Unsinn! Nachdem die Bolsche-wiki die Macht übernommen hatten, zögerte Miljukow nicht eine Minute, sich in das von den Deutschen besetzte Kiew zu begeben und seine Dienste der Hohenzollernregierung anzubieten, die sich allerdings nicht übereilte, davon Gebrauch zu machen. Miljukows nächstes Ziel dabei war, für den Kampf gegen die Bolschewiki das nämliche deutsche Gold zu erhalten, mit dessen Gespenster vorher die Revolution zu beschmutzen gesucht hatte. Miljukows
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