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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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geworden. Seine in allen Farben schimmernde Freiheit hob sich grell vom Polizeihintergrunde des in der Militärdiktatur eingeklemmten Europa ab. Sollen wir etwa unsere Revolution nicht gegen den Hohenzollern schützen? schrien die alten und die neuen Patrioten, die sich an die Spitze des Exekutivkomitees gestellt hatten. Die Zimmerwal-der vom Typ Suchanows und Steklows beriefen sich unsicher darauf, der Krieg sei imperialistisch geblieben: erklären doch die Liberalen, die Revolution müsse die vom Zaren vorgemerkten Annexionen sichern. "Wie kann ich da jetzt zur Fortsetzung des Krieges aufrufen?" beunruhigte sich Tschcheidse. Da aber die Zimmerwalder selbst die Initiatoren der Machtübergabe an die Liberalen gewesen waren, hingen ihre Einwendungen in der Luft. Nach einigen Wochen Schwankens und Sträubens war mit Zeretellis Hilfe der erste Teil des Miljukowschen Planes glücklich gelöst: Schlechte Demokraten, die sich für Sozialisten hielten, spannten sich in das Geschirr des Krieges ein und bemühten sich, unter der Knute der Liberalen aus allen ihren schwachen Kräften den Sieg zu sichern ... der Entente über Rußland, Amerikas über Europa.
    Die Hauptfunktion der Versöhnler bestand darin, die revolutionäre Energie der Massen auf die Leitung des Patriotismus umzuschalten. Sie strebten einerseits danach, die Kampffähigkeit der Armee wiederzubeleben - das war schwer; sie versuchten andererseits, die Regierungen der Entente zu bewegen, auf den Raub zu verzichten das war lachhaft. In beiden Richtungen gingen sie von Illusionen zu Enttäuschungen und von Fehlern zu Demütigungen.
    In den Stunden seiner kurzwährenden Größe hatte Rodsjanko Zeit gefunden, einen Befehl zu erlassen, wonach die Soldaten sofort in die Kasernen zurückzukehren und ihren Offizieren Gehorsam zu leisten hätten. Die dadurch hervorgerufene Erregung der Garnison zwang den Sowjet, eine seiner ersten Sitzungen der Frage des weiteren Schicksals der Soldaten zu widmen. In der heißen Atmosphäre jener Stunden, im Chaos der Sitzung, die eher einem Meeting glich, unter dem direkten Diktat der Soldaten, die von den abwesenden Führern nicht behindert werden konnten, entstand der berühmte Befehl Nr. 1, das einzige würdige Dokument der Februarrevolution, die Freiheitscharta der revolutionären Armee. Seine kühnen Paragraphen, die den Soldaten den organisierten Ausweg auf eine neue Bahn wiesen, verfügten: bei allen Truppenteilen Wahlkomitees zu schaffen; Soldatenvertreter in den Sowjet zu wählen; bei allen politischen Auftritten, sich dem Sowjet und den eigenen Komitees unterzuordnen; die Waffen unter Kontrolle der Kompanie- und Bataillonskomitees zu halten und sie "unter keinen Umständen den Offizieren auszuliefern"; im Dienste strenge militärische Disziplin, außerhalb des Dienstes alle Bürgerrechte; Ehrenbezeigungen und Titulierungen der Offiziere außerhalb des Dienstes werden abgeschafft; grobes Benehmen gegen Soldaten, insbesondere die Anrede mit "Du" ist verboten usw.
    Dies waren die Schlußfolgerungen der Petrograder Soldaten aus ihrer Teilnahme an der Umwälzung. Hätten es auch andere sein können? Sich zu widersetzen wagte niemand. Während der Ausarbeitung des "Befehls" waren die Häupter der Sowjets durch erhabenere Sorgen abgelenkt: sie führten Verhandlungen mit den Liberalen. Dieses ermöglichte h-nen, sich auf ihr Alibi zu berufen, als sie gezwungen waren, sich vor der Bourgeoisie und dem Kommandobestand zu rechtfertigen.
    Gleichzeitig mit dem Befehl Nr. 1 schickte das Exekutivkomitee, das Zeit gefunden hatte, sich zu besinnen, in die Druckerei als Gegengift einen Appell an die Soldaten, der unter dem Scheine der Verurteilung der Selbstjustiz gegen Offiziere Unterordnung gegenüber dem alten Kommandobestand forderte. Die Setzer weigerten sich einfach, dieses Dokument zu setzen. Die demokratischen Autoren waren vor Empörung außer sich: Wohin führt das? Es wäre jedoch falsch anzunehmen, die Setzer härten blutige Strafgerichte gegen die Offiziere angestrebt. Der Aufruf zur Unterordnung am Tage nach dem Umsturz schien ihnen gleichbedeutend mit dem Öffnen der Tore für die Konterrevolution. Gewiß, die Setzer hatten ihre Befugnisse überschritten. Doch sie fühlten sich nicht nur als Setzer. Es ging ihrer Meinung nach um den Kopf der Revolution.
    In jenen ersten Tagen, als das Schicksal der zu den Regimentern zurückkehrenden Offiziere sowohl Soldaten wie Arbeiter äußerst heftig erregte, hatte die "interrayonale"

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